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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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aber die meisten von ihnen sind geistesgestört. Die Männer sind anders, bei denen weiß man wenigstens, woran man ist.«
    Wright hielt nichts von Bewährungshelfern, so viel hatte Cate erfasst. Trotzdem beschloss sie, ihn auf die Probe zu stellen, und erkundigte sich nach den Bewährungshelfern, die im Männergefängnis arbeiteten. Zu ihrer Überraschung hellte sich Wrights Miene sofort auf.
    »Auf Paul Chatham ist Verlass. Ich habe ihn gebeten, Sie auf Ihren ersten Fall vorzubereiten. Ein sehr guter Mann. Er weiß genau, wann er sich zurückhalten muss.«
    »Erwarten Sie das von Ihren Bewährungshelfern? Zurückhaltung?«
    »Das wäre meine Empfehlung, ja. Solange Sie Pauls Beispiel folgen, kommen Sie hier gut klar.«
     
    Callahan hatte Cate erklärt, Paul Chatham arbeite hier seit so langer Zeit, dass er fast schon zum Inventar gehöre. Dass die meisten Gefängniswärter auf die Bewährungshelfer herabsahen, wusste Cate selbst. Dennoch musste Chatham es geschafft haben, vom niedrigen Außenseiter zu einem von ihnen aufzusteigen. Cate hatte gerade noch Zeit, sich einen Kaffee zu besorgen, ehe ihre erste Besprechung mit Paul anstand.
    Der Getränkeautomat lag hinter der nächsten verschlossenen Tür. Schon beim ersten Schluck stellte Cate fest, dass der Kaffee zu schwach war. Trotzdem füllte sie auch für Chatham einen Becher und beschloss, sich für ihr Büro eine Kaffeemaschine zu besorgen, statt ständig hin und her zu laufen. Sie saß gerade wieder auf ihrem Stuhl und blies gerade über den heißen Kaffee, als ein Mann eintrat, der sich als Paul Chatham vorstellte.
    Er überreichte ihr eine Packung Kekse. »Ein kleines Willkommensgeschenk. Man muss zwar nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten, aber besser wäre es.«
    Paul Chatham war ein gut aussehender Mann mit dichtem, grauweiß meliertem Haar und Lachfältchen um Mund und Augenwinkel. Seine Augen waren auffallend: ein tiefes warmes Blau. Alles in allem schien er sich in seiner sonnengebräunten Haut wohlzufühlen. Er nahm den angebotenen Kaffee entgegen und hockte sich auf die Schreibtischkante, denn einen zweiten Stuhl gab es in Cates Büro nicht. In dem engen, fensterlosen Raum nahm sie seinen würzigen Geruch wahr. Seit Langem hatte sie nicht mehr so dicht neben einem attraktiven Mann gesessen, doch ihr Instinkt besagte, dass Pauls gefälliges Äußeres nicht dazu diente, Frauen anzuziehen.
    »Wie sind Sie hier gelandet?«, fragte er. »Haben Sie jemanden vor den Kopf gestoßen oder ein Verbrechen begangen?« Es war allgemein bekannt, dass unliebsame Mitarbeiter im Bewährungsdienst auf die Gefängnisposten abgeschoben wurden, die unterste Stufe der Karriereleiter.
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Cate argwöhnisch. »Ich könnte die Versetzung hierher doch auch beantragt haben. Weil ich hier etwas bewirken will, zum Beispiel.«
    Doch Paul lag mit seinem Verdacht richtig. Cate hatte nicht um die Versetzung in ein Gefängnis gebeten. Zwar war sie aus ihrer alten Stelle nicht entlassen worden, aber ihr Vorgesetzter hatte ihr deutlich gemacht, dass sich gewisse Dinge ändern müssten. Seit Tim sie verlassen hatte, hatte sie versucht, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, aber Amelia hatte immer an erster Stelle gestanden.
    Wie oft war sie morgens zu spät ins Büro gekommen und abends früher gegangen, wie oft hatte sie gefehlt, weil sie oder Amelia krank gewesen war. Sie hatte die Geduld ihrer Kollegen strapaziert, gar keine Frage. Und dann hatte ihre Ärztin sie wegen ihrer Depressionen ein halbes Jahr krankgeschrieben. Als sie nach sechs Monaten in den Job zurückkehrte, hatte sie jegliches Selbstvertrauen verloren.
    Die Versetzung werde ihr guttun, hieß es. Cate wusste, was das bedeutete. Im Gefängnis wäre sie mehr oder weniger auf sich selbst gestellt, die Ansprüche waren geringer, und falls sie mal fehlte, wären die Folgen kaum spürbar. Normalerweise wurden Bewährungshelfer kurz vor ihrer Pensionierung in ein Gefängnis versetzt, sie dagegen war bereits mit knapp dreißig ausrangiert worden. Allein deshalb hatte Cate sich geschworen, es allen zu zeigen.
    Paul leerte seinen Becher mit einem einzigen langen Schluck. »Das ist ein scheußliches Büro. Sie hätten sich ins Männergefängnis bewerben sollen. Ich habe wenigstens ein Fenster.«
    »Ach, daran werde mich schon gewöhnen«, erwiderte Cate leichthin.
    Paul verlagerte sein Gewicht. »Haben Sie Officer Holley schon kennengelernt?« Als Cate nickte, grinste er. »Ihr Vortrag

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