Die Legende
wollten. Und wir mussten uns unbedingt beeilen, bevor der Dämon stark genug wurde und der Fürst ihn für seine Zwecke benutzen konnte.
»Ich habe eine Idee«, sagte ich. »Meine Mutter gibt ja heute dieses Abendessen für dich und andere ausgesuchte Gäste. Ich würde von Bismarck einfach mit einladen, damit du ihn dir genauer ansehen kannst.«
»Und ihn eventuell schon unschädlich machen kann«, ergänzte sie.
»Denk dran, es darf kein Mensch in der Nähe sein, nur ein Tier«, ermahnte ich sie.
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte sie gelangweilt. »Gut, dann sehen wir uns nachher.«
Ich verabschiedete mich von ihr und lief zum Schloss der Geißenbergers, um den Fürsten zum Abendessen einzuladen.
Als ich ankam, sprach er gerade mit Pedros Eltern, die willenlos auf dem Sofa saßen. Er wandte sich sofort von ihnen ab, als er mich sah, und ließ mich mein Anliegen vortragen. Ich erzählte ihm, dass ich mit dieser Einladung die verhärteten Fronten auftauen und ihm für seine Hilfe danken wollte. Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm er die Einladung an, zeigte sich weder misstrauisch noch überrascht. Er lächelte nur und nickte hoheitsvoll seine Zustimmung. Schade, dass ich von dem Einfluss des Dämons nichts an mir bemerkte, denn in diesen Augenblicken wünschte ich ihm die Pest, Unfälle und andere tödliche Unglücke an den Hals. Doch nichts davon trat ein. Stattdessen rief er meinen Vater, und sie begleiteten mich zu unserem Haus.
Zu sagen, dass meine Mutter überrascht über die beiden zusätzlichen Gäste gewesen wäre, wäre eine Untertreibung. Sie war völlig entsetzt. Zuerst knallte sie uns die Türe vor der Nase zu, so dass ich zunächst ohne die beiden Männer eintrat und sie darum bat, die Fassung zu wahren. Ich erklärte ihr, dass ich mich bei dem Fürsten dafür bedanken wollte, dass er sich an sein Versprechen gehalten und Isabelle unversehrt entlassen habe. Als das nichts half, appellierte ich an ihr neues Ich, das diesem Mann doch sicher eine zweite Chance geben wollte, genauso wie sie eine zweite Chance verdient hatte. Viviane, die inzwischen eingetroffen war, unterstützte mich dabei. Das half. Wie auch die Blumen und Pralinen, die ihr der Fürst reichte. Er besaß jede Menge Charme, so dass es meiner Mutter wohl nicht allzu schwer fiel, ihn an ihren Tisch zu lassen. Und noch besser: Mein Vater entpuppte sich als dermaßen freundlicher und humorvoller Gast, dass er mich sofort um den keinen Finger gewickelt hätte, wenn ich Gastgeberin gewesen wäre.
Meine Mutter zeigte den beiden höflich ihre Plätze, legte noch zwei Gedecke auf und schickte mich in den Keller, um weitere Getränke zu holen.
***
Das Essen verlief glimpflicher, als ich in meinem Innersten befürchtet hatte. Meiner Mutter war es tatsächlich gelungen, etwas Genießbares zu kochen, das sogar richtig gut schmeckte. Die Nachbarn Susi und Gerd Palitzki plapperten unentwegt über ihren kleinen Sohn – was er wieder angestellt hatte, welche tollen Dinge er gesagt und wie klug und begabt er sei. Und dass aus ihm sicherlich eines Tages ein guter Mullendorfer Bauer würde. Viviane erzählte putzige Anekdoten aus dem Rathaus, und die Freundin meiner Mutter zog ununterbrochen über ihren Ex-Mann her, was diesem sicherlich die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte, wenn er es hätte hören müssen. Der Fürst hingegen plauderte über Geheimnisse aus Fürstenhäusern und Regierungskreisen, die für Verwunderung und offene Münder sorgten. Einmal stockte mir der Atem, als er Kurt erwähnte und sich wunderte, dass dieser junge Vampir zwar in seine Dienste eintreten wollte, aber niemals seine Initiation erfüllte und auch nie wieder aufgetaucht war. Meine Mutter tat es mit einem coolen Spruch ab, so dass er nicht weiter nachhakte. Nur mein Vater saß still daneben und sah mich hin und wieder mit nachdenklichen Blicken an. Ich schob das jedoch auf die prekäre Situation, in der er sich befand.
Brenzlig wurde es, als Isabelle aus ihrem Zimmer kam. Sie wollte nach Moosberg fahren und sich mit Freundinnen treffen, um über Pedro zu reden. Als sie den Fürsten erblickte, stutzte sie, dann fing sie an zu schreien und stürzte sich auf ihn. Er wollte aufstehen und ihr ausweichen, doch offenbar hatte er das Messer nicht bemerkt, das sie blitzschnell aus ihrer Tasche zog. Das hatten wir alle nicht gesehen. Kreischend stach sie auf ihn ein, wieder und wieder, so schnell konnte ich gar nicht reagieren. Blut spritzte.
Mein Vater löste sich
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