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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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göttergleich sind. Doch bei den letzten Prüfungen stellen wir fest, daß auch sie nach Kampf und Tod lechzen. Es ist umsonst!«
    »Du täuschst dich, Serbitar!« sagte Vintar. Seine Stimme klang scharf, und in seinen Augen stand eine Andeutung von Zorn. »Du sprichst von ›göttergleich‹. Du sprichst von ›normalen Menschen‹. Wo liegt in deinen Worte die Demut, nach der wir streben?
    Als du zuerst zum Tempel kamst, warst du schwach und einsam, und für mehrere Jahre der jüngste. Aber du hast um so rascher gelernt. Und du wurdest zur Stimme auserwählt. Hast du denn nur die Fächer gelernt und die Philosophie ausgelassen?«
    »Es scheint so«, antwortete Serbitar.
    »Du irrst schon wieder. Denn in der Weisheit liegt Leiden. Du leidest nicht, weil du ungläubig bist, sondern weil du glaubst. Laß uns noch einmal von vorn anfangen. Warum reisen wir zu einem fernen Krieg?«
    »Um zu sterben.«
    »Warum wählen wir diesen Weg? Warum hungern wir uns nicht einfach zu Tode?«
    »Weil der Wille eines Menschen zu leben im Krieg besonders stark ist. Er wird hart kämpfen, um am Leben zu bleiben. Er wird wieder lernen, das Leben zu lieben.«
    »Und wozu zwingt uns diese Kraft?«
    »Uns unseren Zweifeln zu stellen«, flüsterte Serbitar.
    »Aber du hast nie geglaubt, daß auch dir solche Zweifel kommen könnten, so sicher warst du deiner gottähnlichen Kräfte?«
    »Ja. Ich war sicher. Jetzt bin ich es nicht. Ist das eine so große Sünde?«
    »Nein, und das weißt du. Warum bin ich am Leben, mein Junge? Warum bin ich nicht vor zwei Jahrzehnten mit Magnars Dreißig gestorben?«
    »Weil du der Eine warst, der auserwählt war, den neuen Tempel zu gründen.«
    »Warum wurde ich auserwählt?«
    »Du warst vollkommen. Das muß so sein.«
    »Warum war ich dann nicht der Anführer?«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Wie wird der Anführer auserwählt?«
    »Ich weiß es nicht. Du hast es mir nie gesagt.«
    »Dann rate, Serbitar.«
    »Weil er die beste Wahl ist, der am meisten …«
    »… Vollkommene?«
    »Das hatte ich sagen wollen. Aber ich sehe, worauf du hinauswillst. Wenn du der Vollkommenste warst, warum war Magnar dann der Anführer?«
    »Du hast die Zukunft gesehen. Du hättest dieses Gespräch sehen und hören müssen. Sag es mir.«
    »Ich habe das Gespräch nicht gehört«, sagte Serbitar. »Ich hatte keine Zeit, mich um Kleinigkeiten zu kümmern.«
    »Oh, Serbitar, du willst immer noch nicht verstehen! Was du gesehen und studiert hast, waren die Kleinigkeiten! Unwichtige und triviale Dinge. Was bedeutet es schon für die Geschichte dieses Planeten, daß die Dros fällt? Wie viele Festungen sind im Laufe der Zeitalter schon erobert worden? Welche kosmische Bedeutung hatte ihr Untergang? Wie wichtig ist unser Tod?«
    »Dann sag mir, Vater Abt, wie wird der Anführer auserwählt?«
    »Hast du es noch nicht erraten, mein Sohn?«
    »Ich glaube schon.«
    »Dann sprich.«
    »Er ist der am wenigsten Vollkommene der Akolyten«, sagte Serbitar leise. Seine grünen Augen suchten in Vintars Gesicht und flehten um Widerspruch.
    »Er ist der am wenigsten Vollkommene«, wiederholte Vintar traurig.
    »Aber warum?« fragte Serbitar.
    »Damit seine Aufgabe um so schwieriger ist, um so fordernder. Um ihm die Chance zu geben, aufzustehen und sich der Stellung, die er einnimmt, gewachsen zu zeigen.«
    »Und habe ich versagt?«
    »Noch nicht, Serbitar, noch nicht.«

24
    Tag für Tag verließen mehr Menschen die belagerte Stadt, luden ihre Besitztümer auf Wagen, Karren oder Maultiere und bildeten Konvois, die sich langsam ins Landesinnere schlängelten, um in die relative Sicherheit der Skodaberge und der dahinterliegenden Hauptstadt zu gelangen.
    Mit jeder Abreise tauchten für die Verteidiger neue Probleme auf. Kämpfende Männer mußten zu anderen Aufgaben abkommandiert werden: Latrinen reinigen, Vorräte verstauen, Mahlzeiten zubereiten. Jetzt wurden die Reserven von zwei Seiten angegriffen.
    Druss war wütend und bestand darauf, die Tore zu schließen und die Evakuierung aufzuhalten. Rek wies darauf hin, daß dann noch mehr Soldaten benötigt würden, um die Südstraße zu kontrollieren.
    Am Mittsommertag – zehn Wochen nach Beginn der Schlacht – fiel Musif, und das Chaos regierte. Die Nadir brachen in der Mitte durch die Mauer und trieben einen Keil in das dahinterliegende Schlachtfeld. Die Männer gerieten in Gefahr, umzingelt zu werden, wichen zurück und rannten zu den Feuergräben. Einzelne Gefechte begannen, sobald die

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