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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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sprechen.
    Jetzt steht er, und mit fest geschlossenen Augen sieht er klarer als je zuvor. Ohne Schuldgefühl stellt er fest, daß er seinen Vater vergessen hat und glücklich darüber ist.
    Der Geist des älteren Serbitar kostet erneut die vollkommene Freude, die den Jungen an dem Tag erfüllte, als er Arm in Arm mit Vintar der Seele über den Hof ging, bis sie schließlich in einer strahlendhellen Ecke zu einer winzigen Rose kamen, die sich an eine hohe Steinmauer schmiegte.
    »Das ist deine Rose, Serbitar. Du sollst sie lieben. Pflege sie und wachse mit ihr. Eines Tages wird sich auf dieser kleinen Pflanze eine Blüte zeigen. Und ihr Duft wird nur für dich allein sein.«
    »Ist sie weiß?«
    »Sie ist, wie immer du sie haben willst.«
    Und in den folgenden Jahren fand Serbitar Frieden und Freude in der Kameradschaft, aber nie mehr als die Erfahrung der wahren Zufriedenheit mit Vintar der Seele an jenem ersten Tag.
    Vintar hatte ihn gelehrt, das Kraut Lorassium zu finden und von seinen Blättern zu essen. Zuerst hatten sie ihn schläfrig gemacht und seine Gedanken mit Farben erfüllt. Aber als die Tage vergingen, lernte sein starker junger Geist die Visionen zu beherrschen und die grünen Säfte, die sein schwaches Blut kräftigten. Selbst seine Augen änderten ihre Farbe und nahmen die der Pflanze an.
    Und er lernte wieder zu laufen, genoß den Wind in seinem Gesicht, lernte klettern und ringen, lachen und leben.
    Und er hatte gelernt zu sprechen, ohne zu reden, sich zu bewegen, ohne sich zu rühren und zu sehen, ohne die Augen zu öffnen.
    In all diesen glücklichen Jahren war Serbitars Rose gewachsen und erblüht.
    Eine weiße Rose …
    Und jetzt war alles so weit gekommen! Ein Blick in die Zukunft hatte dreizehn Jahre des Lernens und Glaubens zerstört. Ein schneller Pfeil, gesehen durch die Nebel der Zeit, hatte sein Schicksal verändert.
    Serbitar hatte starr vor Entsetzen auf das Bild gestarrt, das sich unter ihm bot, auf den kampfgezeichneten Mauern der Dros. Sein Gesicht war vor der Gewalt zurückgeschreckt, die er dort sah, und er war geflohen, kometenschnell, in einen fernen Winkel des Universums, wo er sich selbst und seine geistige Gesundheit unter explodierenden Sternen und der Geburt neuer Sonnen verlor. Und doch hatte Vintar ihn gefunden.
    »Du mußt zurückkehren.«
    »Ich kann nicht. Ich habe gesehen.«
    »So wie ich.«
    »Dann weißt du, daß ich lieber sterben würde, als es noch einmal zu sehen.«
    »Aber du mußt, denn es ist dein Schicksal.«
    »Dann verweigere ich mich meinem Schicksal.«
    »Und deine Freunde? Verweigerst du dich auch ihnen?«
    »Ich kann dich nicht noch einmal sterben sehen, Vintar.«
    »Warum nicht? Ich selbst habe das Bild schon hundertmal gesehen. Ich habe sogar ein Gedicht darüber geschrieben.«
    »So wie wir jetzt sind – werden wir wieder so sein, nach dem Tod? Freie Seelen?«
    »Ich weiß es nicht, aber es wäre schön. Und jetzt mußt du wieder zurück zu deinen Pflichten. Ich habe die Dreißig gerufen. Sie halten deinen Körper so lange am Leben, wie sie können.«
    »Das haben sie immer getan. Warum sollte ich der letzte sein, der stirbt?«
    »Weil wir es so haben wollen. Wir lieben dich, Serbitar. Das haben wir immer getan. Du warst ein schüchternes Kind, das niemals Freundschaft gekannt hatte. Du warst mißtrauisch gegenüber der leisesten Berührung oder Umarmung – eine Seele, die allein in der kosmischen Leere weinte. Selbst jetzt bist du allein.«
    »Aber ich liebe euch alle.«
    »Weil du unsere Liebe brauchst.«
    »Das stimmt nicht, Vintar!«
    »Liebst du Rek und Virae?«
    »Sie sind nicht Teil der Dreißig.«
    »Das warst du auch nicht, bis wir dich dazu machten.«
    Und Serbitar war beschämt zu der Festung zurückgekehrt. Aber die Scham, die er früher gefühlt hatte, war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das er jetzt erlebte.
    War es erst eine Stunde her, daß er mit Vintar auf der Mauer spaziert war und sich über viele Dinge beklagt und viele Sünden gestanden hatte?
    »Du hast unrecht, Serbitar. Auch ich bin in der Schlacht blutdürstig. Wer ist das nicht? Frag Arbedark oder Menahem. Wir sind trotz allem Menschen, und wir fühlen wie andere Menschen.«
    »Dann ist es also umsonst, daß wir Priester sind?« weinte Serbitar. »Wir haben Jahre unseres Lebens damit verbracht, den Irrsinn des Krieges zu studieren, die Machtlust der Menschen, ihren Drang zum Blutvergießen. Wir erheben uns über die normalen Menschen mit Kräften, die fast

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