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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Eiche, starr vor Angst, unfähig, auch nur zu schreien. Ein bärtiger Mann mit stinkendem Atem war schließlich zu ihr gekommen, hatte sie brutal an den Haaren hochgezerrt, sie zum Rand der Klippe geschleift und ins Meer geworfen.
    Sie war nicht auf den Felsen zerschmettert worden, wenn sie sich auch beim Sturz den Kopf aufgeschlagen und das rechte Bein gebrochen hatte. Ein Fischer hatte ihren Sturz beobachtet und sie gerettet. Von jenem Tag an war sie verändert.
    Das einst so fröhliche Kind lachte nicht mehr, tanzte nicht mehr, sang nicht mehr. Andere Kinder konnten nicht mehr mit ihm spielen, und als das Mädchen älter wurde, war es immer häufiger allein. Als Caessa fünfzehn war, tötete sie den ersten Mann, einen Reisenden, der mit ihr am Flußufer geplaudert und nach dem Weg gefragt hatte. Sie schlich in sein Lager und schnitt ihm die Kehle durch, während er schlief; dann setzte sie sich neben ihn und beobachtete, wie er starb.
    Er war der erste von vielen.
    Der Tod von Menschen ließ sie weinen. In ihren Tränen erwachte sie zum Leben. Für Caessa war es das wichtigste Ziel, am Leben zu bleiben. Und so mußten Männer sterben.
    In späteren Jahren, seit ihrem zwanzigsten Geburtstag, hatte Caessa eine neue Methode entwickelt, sich ihre Opfer auszuwählen: die sich zu ihr hingezogen fühlten. Sie durften mit ihr schlafen, aber später, wenn sie träumten – vielleicht sogar von den Freuden, die sie genossen hatten –, schnitt sie ihnen mit einem scharfen Messer sanft die Kehle durch. Sie hatte niemanden mehr getötet, seit sie sich vor etwa sechs Monaten Bowman angeschlossen hatte, denn Skultik war zu ihrer letzten Zuflucht geworden.
    Und doch saß sie jetzt am Bett eines Verwundeten und wünschte, daß er am Leben blieb. Warum nur?
    Sie zog ihren Dolch und stellte sich vor, wie sie dem alten Mann damit die Kehle durchschnitt. Normalerweise erfüllte diese Todesphantasie sie mit Wärme, doch jetzt rief sie ein Gefühl der Panik hervor. Sie sah in Gedanken Druss neben sich in einem dunklen Raum sitzen, im Kamin ein prasselndes Feuer. Sein Arm lag um ihre Schulter, und sie schmiegte sich an seine Brust. Sie hatte sich dieses Bild schon viele Male vorgestellt, aber jetzt sah sie es mit neuen Augen, denn Druss war so groß – ein Riese in ihrer Phantasie. Und sie wußte, weshalb.
    Sie sah ihn mit den Augen eines siebenjährigen Mädchens.
    Orrin schlüpfte leise ins Zimmer. Er war jetzt dünner, müde und hager, doch kräftiger. Etwas Undefinierbares lag in seinen Zügen. Tief eingegrabene Linien der Erschöpfung ließen ihn älter wirken, aber die Veränderung war kaum merklich – sie ging von seinen Augen aus. Er war Soldat gewesen und hatte sich danach gesehnt, ein Krieger zu sein. Jetzt war er ein Krieger und sehnte sich danach, etwas anderes zu sein. Er hatte Krieg und Grausamkeit gesehen. Tod und Verstümmelung. Er hatte gesehen, wie die scharfen Schnäbel der Krähen auf die Augen der Toten einhackten, wie Würmer in eitrigen Höhlen krochen. Und er hatte sich selbst gefunden und wunderte sich nicht mehr.
    »Wie geht es ihm?« fragte er Caessa.
    »Er wird sich erholen. Aber er wird wochenlang nicht kämpfen können.«
    »Dann wird er überhaupt nicht mehr kämpfen, denn uns bleiben nur noch wenige Tage. Bereite alles vor, daß er verlegt werden kann.«
    »Er ist nicht transportfähig«, sagte sie und blickte Orrin zum erstenmal an.
    »Er muß. Wir geben die Mauer auf und ziehen uns am Abend zurück. Wir haben heute über vierhundert Mann verloren. Mauer Vier ist nur knapp hundert Meter lang – wir könnten sie tagelang halten. Sorg dafür, daß Druss verlegt werden kann.«
    Sie nickte und erhob sich. »Du bist auch müde, General«, sagte sie. »Du solltest dich ausruhen.«
    »Das werde ich bald«, antwortete er lächelnd. Das Lächeln sandte ihr einen Schauer über den Rücken. »Bald werden wir uns alle ausruhen, denke ich.«
    Träger legten Druss auf eine Bahre, hoben sie vorsichtig hoch und deckten ihn gegen die Nachtkälte mit weißen Decken zu. Zusammen mit anderen Verwundeten bildeten sie einen Konvoi zu Mauer Vier, von der Seile herabgelassen und die Tragen dann lautlos nach oben gezogen wurden. Es wurden keine Fackeln entzündet, nur das Licht der Sterne beschien die Szene. Orrin kletterte am letzten Seil empor und zog sich auf die Brustwehr. Eine helfende Hand streckte sich ihm entgegen und zog ihn auf die Füße – es war Gilad.
    »Du scheinst mir dauernd zu helfen, Gilad. Nicht, daß ich

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