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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Apathie und die unzulängliche Organisation vorhielt. Ein Mann sollte seine Grenzen kennen, dachte er. Wenn er sie überschreitet, hat die Natur eine eigene Methode, grausame Tricks anzuwenden. Orrin hätte den Rang eines Gan nie annehmen dürfen. In Friedenszeiten hätte das leicht wettgemacht werden können. Jetzt aber stand er da wie ein Schaukelpferd vor der Schlacht.
    »Du mußt erschöpft sein«, bemerkte Druss schließlich.
    »Was?«
    »Erschöpft. Die Arbeitsbelastung reicht aus, um einen schwächeren Mann zerbrechen zu lassen. Die Organisation von Nachschub, Ausbildung, Patrouillen, Strategien, Planung. Du mußt doch völlig ausgelaugt sein.«
    »Ja, es ist ermüdend«, gab Orrin zu und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Nur wenige Menschen verstehen, welche Probleme ein Kommandant bewältigen muß. Es ist ein Alptraum. Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?«
    »Nein, danke. Würde es dir helfen, wenn ich dir einen Teil der Last abnähme?«
    »Inwiefern? Du erwartest doch nicht, daß ich meinen Platz räume?«
    »Großer Missael, nein«, sagte Druss mit Nachdruck. »Ich wäre völlig verloren. Nein, nein, ich meinte nichts dergleichen.
    Aber die Zeit ist knapp, und niemand kann erwarten, daß du diese Bürde allein trägst. Ich wollte vorschlagen, daß du mir die Ausbildung der Rekruten und die Verantwortung für die Verteidigungsanlagen überträgst. Wir müssen die Tunnel hinter den Toren blockieren und Trupps den Befehl erteilen, die Gebäude zwischen Mauer Vier und Mauer Sechs einzureißen.«
    »Die Tunnel blockieren? Die Gebäude einreißen? Ich verstehe nicht, Druss«, sagte Orrin. »Das alles ist Privateigentum. Es würde einen Aufstand geben.«
    »Genau!« sagte der alte Krieger milde. »Und deswegen solltest du einem Außenstehenden die Verantwortung dafür übertragen. Die Tunnel hinter den Toren wurden einst gebaut, damit eine kleine Nachhut die feindlichen Kräfte so lange aufhalten konnte, bis die Verteidiger sich hinter die nächste Mauer zurückgezogen hatten. Ich schlage vor, die Gebäude zwischen Mauer Vier und Sechs einzureißen und die Trümmer dafür zu verwenden, die Tunnel zu blockieren. Ulric wird viele Männer verschleißen, um durch die Tore zu brechen. Und es wird ihm nichts nützen.«
    »Aber warum die Gebäude zerstören?« fragte Orrin. »Wir könnten doch Gestein von Süden heranschaffen.«
    »Wir haben keine Schlachtfelder«, erklärte der alte Krieger. »Wir müssen die ursprüngliche Anlage der Dros wiederherstellen. Wenn Ulrics Männer durch die erste Mauer brechen, will ich, daß jeder Bogenschütze der Dros sie mit Pfeilen spickt. Jeder Meter offenes Gelände wird mit toten Nadir übersät sein. Wir sind ihnen fünfhundert zu eins unterlegen, und wir müssen die Chancen irgendwie angleichen.«
    Orrin biß sich auf die Lippen und rieb sich das Kinn. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Er betrachtete den weißbärtigen Krieger, der da so ruhig vor ihm saß. Sobald er hörte, daß Druss eingetroffen war, hatte er sich auf die Möglichkeit vorbereitet, daß man ihn ablösen und unter Schimpf und Schande nach Drenan zurückschicken wollte. Jetzt bot man ihm ein ganzes Leben an. Er hätte selbst daran denken sollen, die Gebäude einzureißen und die Tunnel zu blockieren. Er wußte es, genauso wie er wußte, daß er als Gan eine Fehlbesetzung war. Es war schwer, diese Tatsache zu akzeptieren.
    Während der letzten fünf Jahre, seit seiner Beförderung, hatte er jede Selbstkritik vermieden. Vor wenigen Tagen erst hatte er Hogun und zweihundert seiner Legionsreiter ins Ödland geschickt. Zuerst hatte er sich an den Glauben geklammert, es sei eine vernünftige militärische Entscheidung. Aber als die Tage verstrichen und keine Nachricht kam, hatte er zu grübeln angefangen. Dieser Auftrag hatte nur wenig mit Strategie zu tun, dafür aber viel mit Eifersucht. Er hatte mit Entsetzen festgestellt, daß Hogun der beste Soldat der Dros war. Als er zurückkehrte und Orrin erklärte, daß sich seine Entscheidung als klug erwiesen hatte, ohne Orrin dabei im geringsten zu schmeicheln, hatte ihm das schließlich die Augen für seine eigene Unzulänglichkeit geöffnet. Er hatte darüber nachgedacht, ob er seinen Abschied einreichen sollte, aber er konnte den Gedanken an die Schande nicht ertragen, die er damit über seinen Onkel Abalayn gebracht hätte. Ihm blieb nur, auf der ersten Mauer zu fallen. Und darauf hatte er sich vorbereitet. Er hatte gefürchtet, daß Druss ihm selbst

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