Die Legende
Laufe des Monats hier sein.«
»Die Nadir auch«, sagte Druss und zog sich einen hochlehnigen Stuhl heran.
»Wohl wahr. In der Zwischenzeit möchte ich, daß du die Dros übernimmst. Bereite die Männer vor. Wir haben viele Deserteure. Die Moral ist schwach. Du mußt … übernehmen.« Wieder hielt der Graf inne, um zu atmen.
»Das kann ich nicht – nicht einmal für dich. Ich bin kein General, Delnar. Ein Mann sollte seine Grenzen kennen. Ich bin ein Krieger – manchmal ein Sieger, aber niemals ein Gan. Ich verstehe nur wenig von der Verwaltungsarbeit, die zur Führung einer Stadt gehört. Nein, das kann ich nicht tun. Aber ich werde bleiben und kämpfen, das muß genügen.«
Die fiebernden Augen des Grafen hefteten sich auf die eisblauen Augen des Axtkämpfers. »Ich kenne deine Grenzen, Druss, und ich verstehe deine Befürchtungen. Aber es gibt keinen anderen. Wenn die Dreißig hier sind, werden sie organisieren und planen. Bis dahin wirst du als Krieger gebraucht. Nicht zum Kämpfen, obwohl die Götter wissen, wie gut du das kannst, sondern um auszubilden und deine Jahre der Erfahrung weiterzugeben. Stell dir die Männer hier als rostige Waffe vor, die die feste Hand eines Kriegers braucht. Sie muß geschärft, geschliffen, vorbereitet werden. Sonst ist sie nutzlos.«
»Dann muß ich vielleicht Gan Orrin töten«, sagte Druss.
»Nein! Du mußt verstehen, daß er nicht bösartig ist, nicht einmal eigensinnig. Er ist ein Mann, der völlig überfordert ist, und er bemüht sich sehr. Ich glaube nicht, daß es ihm an Mut mangelt. Lerne ihn kennen und urteile selbst.«
Ein heftiger Husten schüttelte den alten Mann. Blutiger Schaum stand auf seinen Lippen, als Druss an seine Seite sprang. Die Hand des Grafen suchte in den Falten des Mantels nach einem Tuch. Druss zog es heraus, tupfte dem Grafen den Mund ab und klopfte ihm sanft auf den Rücken. Schließlich ließ der Anfall nach.
»Es ist nicht gerecht, wenn jemand wie du so sterben muß«, sagte Druss. Er haßte das Gefühl der Hilflosigkeit, das ihn überwältigte.
»Niemand von uns … kann wählen … wie er gehen muß. Nein, das stimmt nicht ganz … Denn du bist hier, altes Schlachtroß. Ich sehe, daß wenigstens du dich weise entschieden hast.«
Druss lachte, laut und herzlich. Der junge Offizier Mendar kehrte mit einem Krug Wein und zwei Kristallkelchen zurück. Er schenkte dem Grafen ein, der eine kleine Flasche aus der Tasche seiner Purpurtunika zog, sie entkorkte und einige Tropfen einer dunklen Flüssigkeit in seinen Wein fallen ließ. Als er trank, kehrte ein Hauch von Farbe in sein Gesicht zurück.
»Dunkelsaat«, sagte er. »Es hilft mir.«
»Es wird leicht zur Gewohnheit«, bemerkte Druss, doch der Graf kicherte.
»Sag mir, Druss«, bat er schließlich, »warum hast du gelacht, als ich sagte, du hättest dir deinen Tod gewählt?«
»Weil ich noch nicht bereit bin, dem alten Bastard nachzugeben. Er will mich, aber ich werde es ihm verdammt schwer machen.«
»Du hast den Tod immer als deinen persönlichen Feind angesehen. Was meinst du, gibt es ihn wirklich?«
»Wer weiß? Ich stelle es mir gern vor. Ich stelle mir gern vor, daß alles nur ein Spiel ist. Das ganze Leben ein Wettrennen zwischen ihm und mir.«
»Ist es das wirklich?«
»Nein. Aber es verschafft mir einen Vorteil. In vierzehn Tagen werden sechshundert Bogenschützen zu uns stoßen.«
»Das ist ja großartig. Wie um alles in der Welt hast du das fertiggebracht? Wundweber hat mir mitgeteilt, daß er keinen Mann erübrigen kann.«
»Es sind Gesetzlose. Ich habe ihnen Straferlaß versprochen – und fünf Goldraq pro Kopf.«
»Das gefällt mir nicht, Druss. Es sind Söldner, denen man nicht trauen kann.«
»Du wolltest, daß ich die Führung übernehme«, wandte Druss ein. »Also vertrau mir, ich werde dich nicht enttäuschen. Laß die Straferlasse aufsetzen und bereite eine Nachricht an die Schatzkammer in Drenan vor.« Er wandte sich an den jungen Offizier, der am Fenster stand. »Du, Jung-Mendar!«
»Herr?«
»Geh und sage … bitte … Gan Orrin, mich in einer Stunde zu treffen. Mein Freund und ich haben uns noch viel zu sagen, aber richte ihm bitte aus, daß ich für eine Unterredung dankbar wäre. Verstanden?«
»Jawohl, Herr!«
»Dann troll dich.« Der Offizier salutierte und ging. »Und jetzt, ehe du müde wirst, mein Freund, laß uns zur Sache kommen. Wie viele Kämpfer hast du?«
»Knapp über neuntausend. Aber davon sind sechstausend Rekruten, und nur
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