Die Legende
nach oben, er ist unser Quartiermeister. Jetzt brauchen wir noch fünfzig Lazaretthelfer und zweihundert Bahrenträger. Die ersten kann Calvar Syn sich aus Freiwilligen aussuchen, aber die Träger müssen ausgebildet werden. Ich will, daß sie den ganzen Tag laufen können. Missael weiß, daß sie das tun müssen, wenn es hier erst richtig losgeht. Diese Männer müssen tapfer sein. Es ist nicht einfach, nur leicht bewaffnet über ein Schlachtfeld zu laufen. Denn sie werden nicht Tragen und Schwerter schleppen können. Wen schlägst du also vor, der sie aussucht und trainiert?«
Hogun wandte sich an Elicas, der die Achseln zuckte. »Du mußt doch jemanden nennen können«, sagte Druss.
»Ich kenne die Männer von Dros Delnoch nicht so gut«, erwiderte Hogun, »und jemand von der Legion wäre nicht angemessen.«
»Warum nicht?«
»Das sind Krieger. Wir brauchen sie auf den Mauern.«
»Wer ist dein bester Offizier?«
»Bar Britan. Aber er ist ein ausgezeichneter Krieger, Herr.«
»Gerade deswegen ist er mein Mann. Hör gut zu. Die Bahrenträger werden nur mit Dolchen bewaffnet sein, und sie werden ihr Leben genauso riskieren wie die Männer, die auf den Mauern kämpfen. Aber es ist keine ruhmreiche Aufgabe, also muß man ihnen deutlich machen, wie wichtig sie sind. Wenn du deinen besten Offizier dazu bestimmst, diese Männer auszubilden und während der Schlacht mit ihnen zu arbeiten, wird sie das anspornen. Bar Britan muß darüber hinaus noch fünfzig Männer seiner Wahl erhalten, die als beweglicher Trupp die Träger so gut wie möglich schützen.«
»Ich verbeuge mich vor deiner Logik, Druss«, sagte Hogun.
»Du sollst dich vor gar nichts verbeugen, mein Sohn. Ich mache genauso Fehler wie jeder andere. Wenn du glaubst, daß ich mich irre, sei so gut und sag es, verdammt noch mal!«
»Mach dir darüber mal keine Sorgen, Axtkämpfer!« fauchte Hogun.
»Gut. Und jetzt zur Ausbildung. Ich möchte, daß die Männer in Gruppen zu je fünfzig eingeteilt werden. Jede Gruppe muß einen Namen bekommen – nimm sie aus Legenden, von Helden, Schlachtfeldern, was auch immer, solange diese Namen das Blut in Wallung bringen.
Jeder Gruppe werden ein Offizier und fünf Unteroffiziere zugeteilt, die je zehn Mann befehligen. Diese Unteroffiziere werden nach den ersten drei Übungstagen ausgewählt. Dann müßten wir sie einschätzen können. Verstanden?«
»Warum Namen?« fragte Hogun. »Wäre es nicht einfacher, wenn jede Gruppe eine Nummer hätte? Götter, sonst müssen wir hundertachtzig Namen finden!«
»Hogun, zur Kriegführung gehört mehr als Taktik und Ausbildung. Ich will, daß auf diesen Mauern stolze Männer stehen. Männer, die ihre Kameraden kennen und sich mit ihnen identifizieren können. ›Gruppe Karnak‹ wird an Karnak den Einäugigen erinnern, ›Gruppe Sechs‹ ist lediglich eine Bezeichnung.
Während der nächsten Wochen werden wir die Gruppen gegeneinander antreten lassen, in Arbeit, Spiel und Wettkämpfen. Wir werden Einheiten aus ihnen schmieden – stolze Einheiten. Wir werden sie verspotten und auslachen, sogar verhöhnen. Dann, ganz allmählich, wenn sie uns mehr hassen als die Nadir, werden wir sie loben. In so kurzer Zeit wie nur möglich müssen wir sie dazu bringen, daß sie sich selbst als Elitetruppe betrachten. Das ist schon die halbe Schlacht. Dies sind verzweifelte, blutige Tage, Tage des Todes. Ich will Männer auf diesen Mauern, starke, kräftige Männer – aber vor allem stolze Männer.
Morgen wirst du die Offiziere aussuchen und die Gruppen zusammenstellen. Ich will, daß die Gruppen laufen, bis sie umfallen, und dann weiterlaufen. Ich will Schwertübungen und Mauerklettern. Ich will, daß Tag und Nacht Abbrucharbeiten ausgeführt werden. Nach zehn Tagen werden wir daran gehen, mit den Einheiten zu arbeiten. Ich will, daß die Träger mit riesigen Steinen auf den Armen laufen, bis ihre Arme abbrechen und die Muskeln brennen.
Ich will, daß jedes Gebäude zwischen Mauer Vier und Mauer Sechs dem Erdboden gleichgemacht wird und die Tunnel mit den Trümmern verfüllt werden.
Ich will, daß tausend Mann gleichzeitig in Drei-Stunden-Schichten arbeiten. Das sollte ihre Rücken kräftigen und die Schwertarme stärken. Noch Fragen?«
Hogun sagte: »Nein. Alles wird geschehen, wie du es wünschst. Aber eins möchte ich noch wissen: Glaubst du, daß die Dros bis zum Herbst halten wird?«
»Natürlich glaube ich das, mein Freund«, log Druss leichthin. »Warum sollte ich mir sonst die
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