Die Legende
gesehen. Einen fürchterlichen Tod!«
»Sind die Nadir bereits da?« fragte Rek.
»Nein. Sei jetzt still. Ich konnte den Mann nicht deutlich erkennen, aber ich sah, daß der Musif-Brunnen hinter Mauer Zwei vergiftet wurde. Jeder, der von diesem Brunnen trinkt, wird sterben.«
»Aber wir müßten dort sein, bevor Mauer Eins fällt«, sagte Rek. »Und vorher brauchen sie den Musif-Brunnen bestimmt nicht.«
»Das ist nicht der Punkt. Eldibar oder Mauer Eins, wie ihr sie nennt, ist nicht zu verteidigen. Sie ist zu breit. Jeder fähige Kommandant wird sie aufgeben. Verstehst du nicht? Deswegen hat der Verräter den anderen Brunnen vergiftet. Druss muß seine erste Schlacht dort schlagen, und die Männer werden bei Morgengrauen dort ihre Mahlzeit erhalten. Gegen Mittag werden die ersten sterben, und am Abend haben wir eine Armee von Toten.«
»Wir müssen aufbrechen!« rief Rek. »Sofort. Setzt ihn auf ein Pferd!«
Rek lief los, um Virae zu suchen, während die Dreißig ihre Pferde sattelten. Vintar und Arbedark halfen Serbitar auf.
»Das war noch nicht alles, nicht wahr?« fragte Vintar.
»Ja, aber manche Tragödien bleiben besser unausgesprochen.«
Drei Tage lang ritten sie im Schatten der Delnoch-Berge durch tiefe Täler und bewaldete Hügel. Sie ritten schnell, aber wachsam. Menahem ritt als Späher voraus und pulste Serbitar seine Beobachtungen zu. Virae hatte seit dem Streit kaum etwas gesagt und ging Rek aus dem Weg. Er wiederum gab keinen Zoll nach und machte keinen Versuch, das Schweigen zu brechen, obwohl es ihn sehr schmerzte.
Am Morgen des vierten Tages, als sie einen kleinen Hügel über dichten Wäldern erklommen, hob Serbitar die Hand, um den Trupp zum Stehen zu bringen.
»Was ist los?« fragte Rek.
»Ich habe den Kontakt zu Menahem verloren.«
»Ärger?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist er vom Pferd geworfen worden.«
»Dann wollen wir es herausfinden«, sagte Rek und gab seiner Stute die Sporen.
»Nein!« rief Serbitar, doch Rek war schon hügelabwärts unterwegs und wurde immer schneller. Er zerrte an den Zügeln und lehnte sich zurück, um das Pferd zum Stehen zu bringen. Dann sah er sich um. Zwischen den Bäumen konnte er Menahems Grauen erkennen, der mit gesenktem Kopf dastand. Dahinter lag der Krieger mit dem Gesicht im Gras. Rek galoppierte hin, doch als er zwischen die ersten Bäume gelangte, nahm er den Hauch einer Bewegung wahr. Er warf sich aus dem Sattel, als ein Mann aus dem Geäst sprang. Rek landete auf der Seite, rollte sich herum, kam auf die Füße und zog sein Schwert. Zu dem Angreifer gesellten sich zwei weitere. Alle trugen die fließenden weißen Gewänder der Sathuli.
Rek zog sich zu dem gefallenen Menahem zurück und blickte auf ihn hinab. Der Kopf des Kriegers blutete an der Schläfe. Wurfschlinge, dachte Rek, konnte aber nicht feststellen, ob der Priester noch lebte. Weitere Sathuli krochen aus dem Unterholz, in den Händen breite Krummsäbel und Langmesser.
Langsam rückten sie vor, ein breites Grinsen auf den dunklen, bärtigen Zügen. Rek grinste zurück.
»Ein schöner Tag zum Sterben«, sagte er. »Warum kommt ihr nicht her?«
Er faßte das Schwert mit der Rechten etwas höher, so daß er noch Platz für die Linke hatte. Dies war nicht der Moment für irgendwelche Spielereien. Es würde mit harten Bandagen gekämpft, beidhändig. Wieder spürte er das seltsame Gefühl, das die Berserkerwut ankündigte: als ob er sich von sich selbst entfernen würde. Diesmal hieß Rek dieses Gefühl willkommen.
Mit einem durchdringenden Schrei griff er die Gegner an, durchschlug dem ersten, dem der Mund vor Überraschung noch offenstand, die Kehle. Dann war er mitten unter ihnen; seine Klinge ein zuckender Bogen aus weißem Licht und rotem Tod. Für einen Augenblick waren die Sathuli wie betäubt von seinem Angriff und wichen zurück; dann aber rückten sie wieder vor und stießen ihre eigenen Schlachtrufe aus. Aus dem Unterholz hinter ihnen stürmten noch mehr Stammeskrieger, als Hufgedonner zu hören war.
Rek merkte nichts von der Ankunft der Dreißig. Er parierte einen Hieb und zog seine Waffe seinem Angreifer beidhändig übers Gesicht, trat über den Leichnam hinweg und widmete sich dem nächsten.
Serbitar kämpfte vergebens darum, einen Verteidigungsring zu errichten, der Rek einschloß. Seine schmale Klinge zuckte, zischte und tötete mit chirurgischer Präzision. Selbst Vintar, der älteste und am wenigsten geschickte Schwertkämpfer, hatte kaum Mühe, die
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