Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
seinen Kammerdiener.
Der Kammerdiener stand zögernd auf, verneigte sich mehrfach und verließ dann Housts Arbeitszimmer.
„Dringender müssen wir Lady Jetti. Dies würde uns vor dem Tribunal Zeit verschaffen“, schlug Houst vor.
„Sie ist mit einer Karawane nach Osten geflohen. Das war alles, was ich bisher herausfinden konnte. Ich habe zwei Männer mit einer weiteren Karawane hinterhergeschickt. Aber selbst wenn sie Jetti überzeugen können, wieder zurückzukommen, werden sie es nicht rechtzeitig schaffen“, sagte der Begleiter des Königs.
„Dann wird es knapp. Kirai kann seine Zeugen ebenfalls nicht herbeischaffen. Die Tribunen werden nicht noch einmal warten, sie werden einfach ihr Urteil fällen. Das setzt Kirai unter Zugzwang, es macht ihn gefährlich“, meinte Houst.
„Was schlägst du vor?“, fragte der König.
„Lasst mich ein wenig über unsere Situation nachdenken“, antwortete Houst.
„Gut, aber nimm dir nicht zu viel Zeit. Es steht einiges auf dem Spiel“, sagte der König und erhob sich aus seinem Sessel.
Dann winkte er seinem Begleiter zu und die Beiden ließen Houst allein. Houst drehte seinen Stuhl zum Fenster und blickte in den abendlichen Himmel. Hier und da funkelte bereits ein besonders heller Stern in der Dämmerung.
***
Ohne Anmeldung platzte Königin Isi in Housts Arbeitszimmer. Er schreckte auf, offensichtlich war er eingenickt. Das Licht der Kerzen flackerte, als Isi die Tür hinter sich schloss.
„War es Eure Idee oder die meines werten Gatten?“, fragte Isi ohne Begrüßung.
Houst stand auf, drehte seinen Sessel wieder in Richtung Schreibtisch. Er ließ sich Zeit dabei. Isis Frage verwirrte ihn. Er benötigte einen Moment, um sich zu sammeln.
„Von welcher Idee sprecht Ihr?“, fragte er schließlich.
„Die Entführung natürlich. Und fangt nicht an, etwas abzustreiten. Inzwischen weiß ich, dass der König involviert ist! Dieser Narr bringt sich noch um den Thron“, geiferte Isi.
„Fürchtet Ihr um sein Wohl oder um das Eure?“, ätzte Houst, „Wenn Ihr so besorgt seid, dann pfeift doch Euren Schoßhund Kirai zurück. Er bohrt gerade in den falschen Löchern“
„Ich habe es ihm nicht gesteckt, wenn Ihr darauf anspielt. Leider entgleitet er gerade meinen Händen, ich habe ihn wohl unterschätzt. Sein Wille zur Macht ist größer als die Furcht vor mir. Ich hoffe, Ihr macht nicht den gleichen Fehler“, entgegnete Isi.
„Erwartet kein Mitleid. Ihr solltet an Eurer Reputation arbeiten, bevor sich Kirais Beispiel herumspricht. Aber sicher seid Ihr nicht in der Nacht zu mir gekommen, um Euer Leid zu klagen. Was soll ich für Euch tun? Aber bedenkt, meine Möglichkeiten sind derzeit etwas eingeschränkt“, sagte Houst.
„Ihr werdet Euch schuldig bekennen!“, antwortete Isi knapp.
Houst riss überrascht die Augen auf, plusterte dann plötzlich los, lachte und lachte. Er ließ sich in den Sessel fallen, lachte noch immer. Isis Miene blieb ernst, sie blickte auf Houst herab, wartete geduldig, bis dessen Anfall vorüber ging.
„Entschuldigt“, sagte Houst und wischte sich ein paar Tränen aus den Augen, „Aber Eurer Ansinnen ist zu lustig“
„Ein Scherz, meint Ihr? Oh, mitnichten. Ihr solltet mich besser kennen. Ich biete Euch nicht weniger als Nomos Leben. Weigert Ihr Euch, stirbt sie. Glaubt nicht, dass Ihr dies noch einmal verhindern könnt! Tut, was ich sage und Nomo steht unter meinem persönlichen Schutz. Ich werde sie behandeln wie eines meiner eigenen Kinder. Es ist Eure Entscheidung. Und ganz nebenbei sichert Ihr Eurem Bruder damit die Macht, diesmal zumindest. Ihr habt ihn auf den Thron gehievt, ihn dort für Jahre gehalten. Allein Euer Ehrgeiz müsste dies schon fordern“, erklärte Isi.
Mit jedem von Isis Worten verfinsterte sich Housts Gesichtsausdruck. Schließlich schlug er mit der Faust auf den Tisch und sprang auf.
„Ihr erpresst mich in meinem eigenen Haus? Dafür sollte ich Euch aus dem Fenster werfen. Mein Bruder würde Euch keine Träne mehr nachweinen“, polterte er.
„Euer Temperament geht mit Euch durch. Den Auftrag für den Mord an Nomo habe ich bereits erteilt. Nur ich kann ihn stornieren. Sobald Euch das Tribunal morgen schuldig gesprochen hat, werde ich das tun. Ihr habt mein Wort“, sagte Isi unbeeindruckt, „Jetzt lasse ich Euch allein. Denkt ruhig ein wenig über Eure Entscheidung nach“
***
„Ich bin gerade ziemlich beschäftigt, Hem, der Vorsitz des Tribunals erfordert meine ganze Aufmerksamkeit.
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