Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Also macht es kurz. Was wünscht Ihr?“, begrüßte Kolat Hem.
„Es dauert nicht lange, Wesir Kolat. Ich möchte nur den Gefallen einfordern, den Ihr mir schuldet“, entgegnete Hem.
„Warum kommt Ihr jetzt damit? Hat das nicht Zeit bis nach dem Tribunal?“, wollte Kolat wissen.
„Nun, der Gefallen, den ich von Euch fordere, hängt mit dem Tribunal zusammen. Ihr werdet Houst freisprechen“, antwortete Hem.
„Wieso? Was habt Ihr davon? Houst hat mehr als einmal Eure Pläne durchkreuzt“, wandte Kolat ein.
„Dieses Königreich braucht Houst“, erwiderte Hem kurz.
„Jeder ist ersetzbar. Houst ist ein alter Narr, diese Entführung wird ihm so oder so das Genick brechen“, widersprach Kolat.
„Ihr werdet auf den Posten des Großwesirs noch ein wenig warten müssen. Sorgt für Housts Freispruch!“, betonte Hem noch einmal.
Dann nickte er Kolat kurz zu und ging.
***
„Vorsitzender Kolat, ich möchte das Tribunal um ein paar weitere Tage Aufschub bitten. Leider stehen die beiden maßgeblich an der Entführung beteiligten Esrin und Kex noch nicht zur Verfügung. Beide Verbrecher sind flüchtig. Meine Soldaten werden sie aber in Kürze aus ihren Verstecken aufscheuchen und beibringen“, versprach Kirai.
„Dieses Tribunal tagt nun schon seit fast einem Monat. Eine weitere Verzögerung ist nicht hinnehmbar“, lehnte Kolat ab, „Ich lasse mich auch von einem Blutrichter nicht zum Narren halten. Bisher habt Ihr wenig getan, um die Schuld des Beschmutzten zu beweisen“
Kirai nahm Kolats harsche Antwort sichtlich erschrocken auf. Für eine Weile musterte er Kolat angestrengt, suchte in dessen Gesicht nach versteckten Anzeichen für einen Scherz. Er fand keine.
„Dann möchte ich einen neuen Zeugen auf die Liste setzen. Dieser Zeuge wäre sofort abkömmlich“, verlangte Kirai daraufhin.
„Hohes Tribunal, das ist doch lediglich taktisches Geplänkel. Der Blutrichter kann seine Zeugen nicht finden und versucht nun, uns alle hinzuhalten“, warf der König ein.
„Konntet Ihr denn Lady Jetti herbeischaffen?“, fragte Kolat.
„Leider noch nicht, sie musste aus dringenden familiären Gründen verreisen. Aber wir haben bereits eine Eskorte geschickt, die sie bald in den Palast zurückbringen wird. Da es eine lange Reise ist, kann es allerdings noch ein paar Tage dauern“, entschuldigte sich der König.
„Und Ihr werft dem Blutrichter Hinhaltetaktik vor? Seid Ihr denn besser?“, entgegnete Kolat ungehalten.
Plötzlich stand Houst auf und trat nach vorn.
„Was soll das, Beschmutzter, setzt Euch wieder auf Euren Platz“, herrschte ihn Kolat an.
„Im Namen der Alten bekenne ich mich schuldig“, sagte Houst für alle hörbar, „Mein Name wurde besudelt mit der Entführung der Prinzessin, ich trage die alleinige Verantwortung für dieses schwere Verbrechen. Ich erwarte die Strafe des Tribunals“
Für einen Moment herrschte Stille im Saal. Alle starrten wie im Schock auf Houst, manchem der Zuschauer stand der Mund offen. Der König fand seine Stimme als erster wieder.
„Mein Bruder ist nicht bei klarem Verstand, hohes Tribunal“, sagte er, „er phantasiert, dieses Geständnis ist …“
„Mein Verstand ist klar, ich bin weder betrunken noch krank“, erklärte Houst.
„Ich möchte mit meinem Bruder unter vier Augen sprechen“, verlangte der König.
Langsam wurden die Zuschauer unruhig. Sie tuschelten aufgeregt untereinander, einige gestikulierten wild. Hier und da kam es zu kleineren Handgreiflichkeiten zwischen Gegnern und Unterstützern von Houst. Nomo stand von ihrem Platz auf, wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides über die Augen und rannte dann aus dem Saal. Lady Lebell wollte ihr hinterherlaufen, wurde aber von Königin Isi zurückgehalten. Isi redete beruhigend auf Lebell ein.
Kirai stand etwas ratlos vor seinem Stuhl. Eigentlich sollte er sich freuen, er hatte das Tribunal gewonnen. Doch Houst hatte ihm den Auftritt vermasselt. Sein Wissen um die Verwicklungen des Königs war komplett wertlos, niemand würde sich jetzt noch dafür interessieren. Zudem stand nun Houst im Mittelpunkt, alle redeten über ihn, kaum einer beachtete Kirai. Siege sehen anders aus.
Bald schon schwoll die Geräuschkulisse im Saal derart an, dass man sich auf dem vollen Marktplatz wähnte.
„Ruhe!“, brüllte Tribun Kolat.
Als sich die Zuschauer im Saal endlich wieder beruhigt hatten, sprach er in normaler Lautstärke weiter.
„Beschmutzter, seid Ihr Euch sicher, dass Ihr Euch zu diesem
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