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Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Titel: Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Thiele
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schwächte seine Position in der Stadt. Nicht mehr lange und ein anderer würde seinen Platz einnehmen. Schon jetzt wendeten sich einige Zuträger, kleine Ganoven und zwielichtige Gestalten anderen Herren zu. Derartiges Geschmeiß umschwirrte stets den größten Haufen Scheiße. Die Haufen, die Esrin hinterließ, schrumpften derzeit schnell.
    Vielleicht hätte er diesen Auftrag niemals annehmen dürfen. Entführungen waren eine heikle Sache, schließlich musste man die entführte Person über Tage, manchmal auch Wochen festhalten und versorgen. Zu viel konnte dabei schief gehen. Den Ärger, den er sich damit eingehandelt hatte, war das kümmerliche Säckchen mit Goldlingen eigentlich nicht wert. Doch es widersprach seiner Natur, Geld einfach so abzulehnen. Diese unstillbare Gier brachte ihn immer wieder in Schwierigkeiten. Andererseits sicherte sie Esrin einen Lebensstandard – wenn auch geheim –, den sich sonst nur wenige Beseelte im Palast leisten konnten. Bisher hatte sich das Risiko stets ausgezahlt. Nur diesmal nicht. Und daran war er selbst schuld, hatte er doch gegen eines seiner ehernen Prinzipien verstoßen: Keine Zeugen. Die Ereignisse zeigten ihm einmal mehr, wie wichtig dieses Prinzip war. Ohne den kleinen Jungen, wäre keiner der Beseelten jemals auf die Idee gekommen, in der Einöde nach der Prinzessin zu suchen. Esrin blickte nach oben zum Himmel. Die Sonne blinzelte durch die Blätter der Baumkrone über ihm. In der der Einöde brannte sie erbarmungslos. Der Gedanke an die Einöde rief ihm ein weiteres seiner Prinzipien ins Gedächtnis: Vertraue keinem außer dir selbst. Auch dieses Prinzip hatte er sträflich außer Acht gelassen. Wie konnte er nur glauben, dass Kex ihn nicht verraten würde. Esrin hatte sich Kex gegenüber immer wie ein Vater gefühlt. Kex sah dies offensichtlich anders.
    Von seinem Anwesen stiegen die ersten Rauchschwaden auf, hier und da züngelten die Flammen bereits durch die Dächer der Gebäude. Die Soldaten zogen ab, sie hatten ihr Werk vollbracht. Esrin starrte noch von seinem Hügel herunter, bis spät in der Nacht die letzte Glut erlosch. Erst dann humpelte er von dannen.
    ***
    „Ihr wolltet mich sprechen“, begrüßte Kirai Lady Lebell.
    Sie empfing ihren zukünftigen Schwiegersohn im Salon. Wie so oft war sie beeindruckt von seinem eloquenten, sicheren Auftreten. Er passte so gut zu Nomo. Er würde ihr Stärke geben. Er konnte sie schützen, und darauf kam es an. Letztlich würde das auch Nomo einsehen, da war sich Lebell sicher.
    „Setzt Euch doch einen Moment zu mir Kirai. Einen Kaffee?“, fragte Lebell.
    „Gern“, antwortete Kirai und nahm gegenüber von Lebell Platz.
    „Wie gehen die Nachforschungen für das Tribunal voran? Wie ich hörte, war dieser Esrin leider bereits von seinem Anwesen geflohen“, sagte Lebell.
    „Er kann sich nicht vor mir verstecken. Ich bin mir sicher, ich werde ihn noch vor der Frist, die Tribun Kolat gesetzt hat, aufspüren. Esrin wird mir viel zu erzählen haben. Dann kann Houst nichts und niemand mehr retten“, antwortete Kirai.
    „Das höre ich gern. Allerdings solltet Ihr Euch vielleicht nicht auf Houst allein konzentrieren. Diese Intrige hat eine größere Dimension, so scheint mir. Kürzlich erfuhr ich, dass der Kammerdiener des Königs Nomo kurz vor der Entführung ausspioniert haben soll. Bis dahin hat sich Nomos Vater nie wirklich für das Leben und die Gewohnheiten seiner Tochter interessiert. Sicher, er genoss ihr lebhaftes Naturell, stellte sie bisweilen wie eine Jagdtrophäe öffentlich zur Schau und prahlte mit seiner Vaterschaft. Verantwortung für Nomo wollte er aber nie übernehmen. Diese plötzliche Neugier kann kein Zufall sein. Wenn Nomos Vater in die Entführung involviert ist … Schließlich hat er nur allzu bereitwillig den Leumund für Houst übernommen“, sagte Lebell.
    „Das ist in der Tat eine überraschende Wendung in diesem Fall. Eine gefährliche Wendung“, sagte Kirai.
    „Habt Ihr nicht einen Schwur auf die Wahrheit geleistet“, erinnerte ihn Lebell.
    „Das habe ich. Nur manche Wahrheiten können einen Menschen das Leben kosten. Bedenkt auch die Folgen für Nomo und Euch selbst“, entgegnete Kirai.
    „Euer Weitblick ist bewundernswert. Ich bin froh, meine Tochter in derart fähige Hände zu geben. Dennoch würde ich diese Spur nicht ganz außer Acht lassen. Wir müssen die Wahrheit ja nicht gleich in die Öffentlichkeit zerren. Es reicht, wenn der König weiß, dass wir es könnten“,

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