Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Hems winzige Kammer geschlichen. Jetzt rutschte er sogar vor Hem auf den Knien. Es war beschämend, erniedrigend. Aber sein Leben hing von diesem Mann ab. Warum musste dieser Spitzel seine Nase auch so tief in die Angelegenheiten der Beseelten stecken. Doch alles Lamentieren half nichts. Sollte die Priesterschaft jemals erfahren, dass Kolat es war, der Pegul aus dem Weg räumen ließ … es wäre ein schmerzhafter Tod für ihn.
„Ich habe alles getan, was ich konnte, Hem. Drei der Tribunen waren bereits auf meiner Seite. Aber nach dem Geständnis sind mir die Hände gebunden. Ich kann Houst nicht mehr freisprechen“, jammerte Kolat.
„Die Aufgabe ist in der Tat schwieriger geworden, für einen fähigen Mann wie Euch doch aber nicht unlösbar“, entgegnete Hem.
„Bitte, Ihr macht mich zum Gespött des ganzen Hofes. Mit welcher Begründung sollte ich Housts Geständnis aus der Welt schaffen?“, winselte Kolat.
„Euch fällt nichts ein? Ihr enttäuscht mich. Solltet Ihr jemals Großwesir werden, braucht es ein wenig mehr Phantasie. Nun gut, ich werde unser kleines Geheimnis noch ein wenig für mich behalten. Doch damit schuldet Ihr mir einen weiteren Gefallen“, gab Hem endlich nach.
„Alles was Ihr wollt“, antwortete Kolat erleichtert.
***
Sleem watschelte durch die Vorgärten der Villen im Palastbezirk. Sein Ziel lag am Rand, ein eher kleines Anwesen. Sicher würde sich Kirai bald ein größeres Haus leisten können, jetzt wo er das Tribunal so großartig gewonnen hatte. Dann würde auch der Weg zu ihm kürzer sein. Anwesen, die Kirais neu erworbenen Status entsprächen, lagen alle zentral. Besonders die kleinen mäandernden Pfade durch die Gärten, auf denen Sleem entlang trottete, zogen sich in die Länge. Sicher die Hauptstraße wäre kürzer gewesen, doch auf der Straße knallte einem die Sonne ins Gesicht, es gab keine Bäume, die Schatten spenden könnten. Außerdem führte die Hauptstraße über einen Berg. Sleem musste sein Schicksal ja nicht herausfordern, laufen auf ebener Strecke war bereits anstrengend genug. Als er an Kirais Haus ankam, keuchte er ordentlich. Zu allem Unglück war Kirai nicht einmal zu Hause. Kirai war vor wenigen Minuten aufgebrochen, er wollte sich mit der Königin in den königlichen Gärten treffen. Dies teilte zumindest Kirais Hausdiener Sleem mit. Manchmal ist der direkte Weg – trotz aller Anstrengungen – doch der bessere, dachte Sleem, auf der Straße wäre er Kirai begegnet. Hinterher ist man meist schlauer. Auf zu den königlichen Gärten. Das Haus seines Vaters – Sleem wohnte selbstverständlich noch bei seinen Eltern – lag ohnehin in dieser Richtung und zurücklaufen hätte er sowieso gemusst. Nur eine kleine Pause, ein oder zwei Gläser erfrischender Wein, wären doch schön gewesen. So schlich Sleem zunehmend ermattet den Weg zurück, auf dem er gekommen war. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, ein kleines Rinnsal lief an seinen Schläfen herab, sammelte sich an seinem Doppelkinn und tropfte von dort auf sein bereits feuchtes Hemd. Im Schatten eines dicht belaubten Baumes legte Sleem eine Pause ein. Ausgelaugt, wie er war, fiel er bald schon in einen leichten Schlummer. Dabei träumte er von seiner Nacht mit der Königin. Schließlich hatte ihm der erste Berater Kirais eine solche versprochen. Dafür hatte Sleem ihm immerhin die Adresse der Stadtwohnung seines alten Meisters Houst genannt. Noch immer war Sleem stolz darauf, dass er damit die schändliche Tat von Houst aufgedeckt hatte. Eine Nacht mit Isi erschien ihm ein gerechter Lohn.
Als Sleem wieder erwachte, war die Sonne schon ein gutes Stück über den Himmel gewandert. Er musste sich beeilen, damit er Kirai nicht erneut verpasste. Ohne weitere Pause absolvierte er den Rest des Weges. Sein Kopf lief rot an, von der Anstrengung, und als er endlich an den königlichen Gärten ankam, taten ihm seine Beine mächtig weh. Dies würde einen fürchterlichen Muskelkater geben. Doch große Taten erforderten auch große Anstrengungen. Am ehesten hielt sich Isi in ihrem kleinen Pavillon auf, als kleiner Junge hatte Sleem sie dort manchmal beobachtet. Wenn Kirai sich mit der Königin trifft, müsste er dort zu finden sein. Auf mittlerweile zitternden Beinen betrat Sleem kurze Zeit später den Pavillon. Kirai war nicht da, Königin Isi döste allein auf ihren Kissen am Springbrunnen.
„Was ist denn? Ich war gerade eingeschlafen“, beschwerte sich Isi während sie den Kopf aus den Kissen hob und
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