Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
und erhellten die Umgebung. Über dem Eingang blickten zwei längliche Kästen mit einer runden Linse in der Mitte der Stirnseite und einem winzigen, rot blinkenden Licht daneben wie Augen zu Zemal herüber. Unweit des Eingangs lag eine verkohlte Ratte. Ein leichtes Brummen drang vom Eingang herüber. Zemal fragte sich, ob sich schon jemals einer der Verdammten bis hierher vorgewagt hatte.
„Lass uns hineingehen“, sagte Mo, die bereits bis fast zum Eingang vorgelaufen war.
„Vorsicht Mo, nicht…“, rief Zemal.
Zu spät. Blitze schossen von oberhalb des Eingangs auf Mo hernieder, sie schrie, ihr ganzer Körper zuckte. Als die Blitze verschwanden, sackte sie zusammen und blieb regungslos am Boden liegen. Im ersten Reflex rannte Zemal einige Schritte auf sie zu, blieb dann aber abrupt stehen. Was auch immer Mo getötet hatte, würde auch ihn töten. Er sank auf die Knie, seine Hände zitterten. Ratlos starrte er auf ihren leblosen Körper. So kniete er eine gefühlte Ewigkeit. Plötzlich stöhnte Mo leise auf.
„Mo, du lebst… Bleib liegen, auf keinen Fall darfst du dich bewegen! Warte, ich hole dich da weg“, rief ihr Zemal zu.
„Was ist geschehen?“, stöhnte Mo.
„Ich weiß nicht. Du darfst dich nur nicht bewegen“, antwortete Zemal.
Vorsichtig kroch Zemal näher. Immer wieder streckte er erst einmal seinen Speer nach vorn. Sobald die Speerspitze auf der gleichen Höhe wie Mo war, wurde auch sie von den seltsamen Blitzen getroffen. Zemal zog den Speer zurück, die Blitze verschwanden wieder. Streckte Zemal den Speer erneut vor, kamen auch die Blitze zurück.
„Was tust du da?“, fragte Mo.
„Ich versuche dich zu retten! Bleib still liegen“, antwortete Zemal.
„Ich kann nicht ewig still liegen. Mir tut alles weh“, entgegnete Mo.
„Ich hab’s gleich“, beruhigte sie Zemal.
Zemal nahm einen Stein zur Hand und warf ihn Richtung Eingang. Noch in der Luft wurde er von den Blitzen getroffen und zerbarst. Zemal nahm einen weiteren Stein und warf ihn wieder zum Eingang. Diesmal bewegte er aber seinen Speer dabei. Während die Blitze am Speer klebten, blieb der Stein unbehelligt und klimperte gegen die Glastür des Eingangs.
„Hör zu Mo, wenn ich ‚jetzt‘ sage, kriechst du so schnell es geht zurück. Wenn ich ‚Stopp‘ sage, bleibst du sofort liegen! Glaubst du, du schaffst das?“, erklärte Zemal.
„Meine Beine sind eingeschlafen. Aber ich werde es versuchen“, antwortete Mo.
Zemal bewegte noch einmal seinen Speer und zählte die Sekunden, bis die Blitze wieder verschwanden. Als er den Speer das nächste Mal nach vorn stieß, rief er laut „Jetzt“. Mo kroch vom Eingang weg, Zemal erschien es quälend langsam. Er rief „Stopp“, kurz bevor die Blitze vom Speer abließen. Mo war noch immer nicht ganz aus der Gefahrenzone. Sie wiederholten das Prozedere noch weitere zwei Mal. Erst jetzt war sich Zemal sicher, dass Mo nichts mehr passieren würde. Er ließ den Speer fallen und lief zu ihr. Sie hatte sich aufgesetzt, ihre kurzen Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Als Zemal Mo mit der Hand berührte, bekam er einen Schlag versetzt und zog die Hand schnell zurück.
„Au, mein Kopf, meine Beine, mein… ganzer Körper! Es ist so Dunkel, ich kann kaum etwas sehen. Ich glaube, ich bin blind“, jammerte sie.
„Es ist Nacht, ich kann auch nicht viel sehen“, sagte Zemal.
„Ohje, ich sehe nicht besser als du. Ich bin blind! Was war das? Es tat höllisch weh. Es tut immer noch höllisch weh“, sagte Mo.
Sie versuchte aufzustehen, taumelte ein wenig auf ihren Beinen und setzte sich resigniert wieder auf den Boden.
„Es regnete Blitze, schlimmer als in einem Sturm. Das muss irgendein Schutzmechanismus der Alten sein. Anscheinend haben sie dieses Gebäude damit versiegelt“, erklärte Zemal.
„Und wie kommen wir dann hinein?“, fragte Mo.
„Ich denke nicht, dass wir überhaupt hineinkommen“, antwortete Zemal.
„Aber wir müssen hinein. Dort drinnen gibt es vielleicht Wasser, und wir brauchen Wasser!“, entgegnete Mo.
„Mo wir… Ich muss überlegen“, sagte Zemal und starrte auf das Gebäude.
***
All seine Überlegungen hatten zu keinem Ergebnis geführt. Irgendwann hatte es Mo nicht mehr ausgehalten und begonnen, einfach nach einem anderen Eingang zu suchen. Aus Furcht, sie könnte noch einmal in Schwierigkeiten geraten, hatte Zemal sie begleitet. Leider waren auch alle anderen Eingänge gesichert, alle bis auf den einen, vor dem sie jetzt standen.
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