Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
aufzutauchen. Die Vorräte trugen sie in die Mitte des Platzes und stapelten sie dort sorgfältig auf. Das meiste war Proviant, Decken und Kleider. Alles, was man für eine Reise benötigte. Ein erster kleiner Wagen, gezogen von zwei Mauleseln, erreichte den Platz.
„Was ist hier los? Was tun die da? Wo sind all die anderen?“, wollte Kex wissen.
„Sie sammeln Vorräte. Nur die Alten wissen, was sie damit vorhaben. Nachdem sie mit dem Geschrei fertig waren, sind alle plötzlich losgezogen, der König, die Beseelten, die Stadtbewohner und die meisten von der Bande ebenfalls. Auch deine Prinzessin ist davon gestürmt. Fragen hilft übrigens wenig, alle reden die meiste Zeit nur noch Kauderwelsch. Ich verstehe davon kein Wort. Lag wohl an dem glitzernden Zeugs aus der Kugel. Hab mich nicht getraut es anzufassen, ich meine, das war eine gute Entscheidung. Ich dachte schon, du hättest was davon abbekommen, wärst so wie die anderen“, antwortete Petel.
„Ich bin wie immer, nur ziemlich wütend. Wo ist Nomo hin? Wo ist Zemal?“, fragte Kex.
„Die Prinzessin ist hier irgendwo im Palastbezirk. Und der Verdammte? Ist mit den meisten Leuten in die Stadt. Was machen wir jetzt? Ich meine, das ganze Palastviertel steht uns offen, die Wachen sind so durchgedreht wie alle anderen. Jeder interessiert sich nur für diesen Haufen da. Eine derartige Gelegenheit bekommen wir nie wieder. Ich wollte schon immer einmal das Schlafzimmer der Königin sehen. Es gibt da so Gerüchte …“, sagte Petel.
„Ich gehe Nomo suchen. Vielleicht kann sie mir erklären, was das alles soll. Und dann ist Zemal an der Reihe. Er hat besser eine gute Entschuldigung für mich bereit, sonst jage ich ihm mein Messer in den Leib. Nochmal trickst er mich nicht aus“, sagte Kex entschlossen.
„Wenn du nichts dagegen hast, helfe ich beim Suchen. Außer der Prinzessin findet sich sicher auch noch der eine oder andere Goldling“, sagte Petel.
***
Das trommelnde Geräusch auf der Zeltplane schreckte Piri aus dem Schlaf. Eine heftige Windböe riss den Eingang auf, peitschte nasse Luft ins Innere. Ein paar noch ferne Blitze zuckten durch die Nacht. Piri kroch zum Eingang, um ihn wieder zu schließen, steckte kurz den Kopf nach draußen. Ein Sturm, heftig zwar, aber eigentlich nichts Ungewöhnliches in der Einöde. Doch es fiel Wasser vom Himmel, dicke Tropfen platschten Piri ins Gesicht. Sie war nach Dilo die älteste Frau in der Siedlung. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Wie konnte Wasser vom Himmel fallen? Piri kannte nicht einmal ein Wort dafür. Unweit verließ ein weiterer Verdammter sein Zelt, offensichtlich ebenso aufgeschreckt durch dieses ungewöhnliche Ereignis. Das Wasser wurde immer mehr, bildete einen Schleier, der die Sicht auf die nächsten Zelte verdeckte, selbst im Schein der grellen Blitze. Fassungslos saß Piri am Eingang ihres Zeltes, schaute nach draußen. Der Verdammte von nebenan kam angelaufen, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Sein Gewand war bereits komplett durchnässt. Piri machte ein wenig Platz, so dass er in den Schutz des Zeltes treten konnte.
„Was ist das?“, fragte er.
An seinen Schuhen klebte eine dicke Schicht nassen Staubes. Piri verzog leicht das Gesicht beim Anblick des Schmutzes auf dem Boden ihres Zeltes.
„Wasser fällt vom Himmel“, antwortete sie.
Der Verdammte machte ein nachdenkliches Gesicht, nickte mehrmals, so als hätte Piris Aussage dem Offensichtlichen eine neue Bedeutung gegeben. Das Zeltgestänge ächzte unter dem heftigen Wind und unter der Last der mittlerweile durchnässten Zeltplane. Es würde nicht mehr lange Schutz bieten. Für so etwas waren die Zelte der Verdammten nicht gebaut. Vor dem Eingang bildete sich ein erstes kleines Rinnsal. Derart schnell konnte selbst der staubige Boden der Einöde das Wasser nicht aufsaugen. Piri tropfte Wasser in den Nacken. Sie blickte besorgt zur Zeltdecke, konnte beim flackernden Schein der Blitze allerdings nicht viel erkennen. Neben ihr wechselte auch der Verdammte seinen Platz.
„Vielleicht sollten wir in die große Halle gehen. Euer Zelt wird nicht mehr lange halten“, sagte er.
Piri schwieg. Die Situation überforderte sie, lähmte sie. Zwei dunkle Gestalten schälten sich aus dem Wasserschleier. Piri erkannte Dilo anhand ihrer Laterne. Die andere Gestalt entpuppte sich beim Näherkommen als die neue Älteste Lelli.
„Ihr seid schon wach? Gut“, brüllte Dilo gegen den Sturm und den Donner an, „Weiter hinten sind zwei
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