Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
Fluglärm in ihr Ohr. Die Geräusche kamen näher. Niemanden schien das zu beunruhigen. In der Hütte schnarchte ein Mann auf einer der sechs Campingliegen. Die Frau wies ihr eine andere, noch freie Liege zu.
„Die Männer werden uns noch richtige Betten bauen. Da die Siedlung aber derzeit stark wächst, sind neue Hütten erst einmal wichtiger. Fühl dich wie zuhause, ich …“
Das Dröhnen von Hubschraubern unterbrach die Frau. Sie rannte nach draußen. Auch der Mann schreckte von seiner Liege auf. Sie schüttelte verständnislos den Kopf. So überraschend waren die Hubschrauber nicht gekommen. Sollten die Gerüchte stimmen, dass die Naturalisten – hatten sie sich einmal die Nanosonden entfernt – beinahe taub und blind waren? Sie folgte der Frau nach draußen. Militärhubschrauber standen über der Lichtung. Von ihnen seilten sich Soldaten ab, die Waffen im Anschlag. Hinter der kleinen Siedlung schimmerte Blaulicht durch die Bäume.
„Hier spricht die Polizei. Verhalten Sie sich ruhig!“, übertönte eine Stimme aus einem Lautsprecher die Rotoren.
Einer der Männer hielt sich nicht an diese Anweisung, rannte zur Hütte gleich hinter ihr. Im gleichen Moment tauchte im Fenster der Lauf eines Gewehres auf. Ohne Vorwarnung wurde daraus geschossen. Sie schreckte zusammen. Die Frau neben ihr warf sich auf den Boden, zerrte auch sie nach unten. Schusssalven zischten über ihre Köpfe hinweg. Zum Schutz hielt sie sich die Hände über den Kopf. Dann gab es einen lauten Knall, Holz splitterte. Wenig später griff jemand ihre Arme, drückte sie ihr auf den Rücken. Sie spürte kaltes Metall an ihren Handgelenken, ein klickendes Geräusch.
„Warum lasst ihr uns nicht in Ruhe! Wir haben euch nichts getan. Wir sind gottesfürchtige, friedliche Leute“, protestierte die Frau neben ihr.
Sie wurde nach oben auf die Füße gezerrt. Vor ihr tauchte plötzlich eine andere Frau auf, fremd und vertraut zugleich. Die Lichtung verschwand.
„Kind, träumst du?“, fragte Lebell, „So werden wir nie fertig“
Nomo schüttelte die fremden Erinnerungen ab und widmete sich wieder ihren Sachen. Doch noch immer geisterten die Bilder durch ihren Kopf.
***
„Wir sind hier fertig“, schimpfte Esrin, „Diese Ilbi, die Alten … sie halten mich nicht mehr zum Narren! Was bilden die sich ein, in meinem Kopf herum zu spuken? Ich war der Herrscher über eine ganze Stadt, den König hätte ich stürzen können“
„Ihr habt mich gestürzt, das reicht“, entgegnete Houst trocken.
„Pah, was wollt Ihr? Es hätte schlimmer kommen können, Ihr seid noch am Leben … Was machen wir jetzt?“, fragte Esrin.
„Ich denke, wir helfen diesen Verdammten dort“, antwortete Houst und deutete auf einen der Bildschirme hinter Esrin.
Esrin drehte sich um und starrte eine Weile teilnahmslos auf den Monitor. Seine Augen schimmerten wieder, Houst wappnete sich für eine weitere Lektion in der Sprache der Alten. Er musste nicht lange warten.
„Polizeidrohnen. Sie führen die Leute ab. Wahrscheinlich sind es Naturalisten. Die Drohnen hat man ja extra dafür entwickelt“, sagte Esrin.
„Was sind … Naturalisten?“, fragte Houst zaghaft.
Esrin drehte sich langsam zu ihm um, kniff die Augenbrauen zusammen und verzog das Gesicht. Seine Augen glühten gespenstisch.
„Auf welcher einsamen Insel haben Sie denn die letzten zwanzig Jahre gelebt? Die Naturalisten sind einfältige, aber auch gefährliche Menschen. Einfältig, weil sie sich die Nanosonden aus dem Körper spülen – die meisten verrecken dabei –, gefährlich, weil die, die überleben, sich später gern in die Luft jagen. Oder sie sabotieren alles, was sie zwischen die Finger bekommen. Nicht umsonst ist diese Kraftwerksstation derart abgeriegelt. Durch die Polizeidrohnen ist es nicht mehr ganz so schlimm wie früher. Die Dinger sind darauf programmiert, Leute ohne Nanosonden zu entdecken. Ganz verhindern können sie Anschläge aber nicht. Es wurde schon von Naturalisten berichtete, die sich spezielle Anzüge angefertigt haben, in denen Nanosonden zirkulieren“, referierte Esrin.
„Was haben die Menschen dort vor? Wo bringen die … Drohnen sie hin?“, wollte Houst wissen.
„Keine Ahnung, was die vorhatten. Sie können sie ja fragen. Die Drohnen bringen sie sicher in das städtische Gefängnis und sperren sie dort in die Käfige“, antworte Esrin.
Houst hob fragend die Augenbrauen.
„Sie haben die letzten Jahre wirklich auf einer einsamen Insel gelebt. Mittlerweile
Weitere Kostenlose Bücher