Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
die Maschinen den zweiten Verdammten mitnehmen wollten. Seither hielten die Verdammten Abstand. Wirkliche Gegenwehr leistete jedoch keiner mehr. Ein paar Kinder näherten sich den Maschinen manchmal noch neugierig. Sie wurden dafür mit bunt aufleuchtenden Bildern auf einer viereckigen Scheibe an den Maschinen belohnt. Die Maschinen rollten auf die Verdammten zu, deuteten auf eine junge Frau. Piri erinnerte sich nicht mehr an ihren Namen oder aus welcher Familie sie stammte. Früher konnte sie sich noch alle Namen merken. Besorgt und ein wenig wehmütig dachte sie an Telek. Würde sie bald so sein wie er in seinen letzten Tagen? Tuschelten die anderen bereits hinter ihrem Rücken? Spielte das noch eine Rolle? Sie hatte die Verdammten aus den Ruinen ihrer Siedlung in die Ruinen der Alten geführt. Sie hier wieder heraus zu führen, dazu fehlte ihr die Kraft. Sicher, hungern oder verdursten mussten sie in Nadamal nicht – auch wenn keiner wusste, wo die Alten die Nahrung hernahmen –. Sie alle würden überleben, so werden wie Ilbi und Skio. Mit leuchtenden Augen, vollgestopft mit Wissen und Erinnerungen der Alten, einer fremden Sprache. Letztlich bedeutete dies das Ende der Verdammten. Insofern würden sie doch sterben, irgendwie.
***
Eine Unverschämtheit! Seit nunmehr einer Stunde wartete er auf sein Frühstück. In seiner Phantasie malte er sich bereits aus, wie er das Dienstmädchen bestrafen würde. Sleems Magen knurrte vernehmlich, seine Nerven lagen blank. Wie sollte er unter solch widrigen Bedingungen seine Aufgabe erfüllen und über Mo wachen? Hungrig konnte er sich nicht konzentrieren, dies wusste er aus Erfahrung. Was, wenn sie aufwachte und seine Hilfe benötigte? Ein kleines Nickerchen, vielleicht beruhigte ihn dies ein wenig. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, schloss die Augen. Der Schlaf kam nicht. Er hatte bereits den ganzen Morgen – inklusive Nomos Hochzeit – verschlafen, war erst von dem fürchterlichen Geschrei aufgewacht. Vielleicht wollte es deshalb jetzt nicht funktionieren, er war einfach nicht müde. Oder aber sein Hunger war mittlerweile zu groß. Sleem stemmte sich aus dem Sessel und ging zum Fenster. Ein riesiger Berg an Vorräten stapelte sich unten auf dem Platz, einige Leute – unter ihnen viele Beseelte – luden sie auf Karren auf. Welch seltsames Schauspiel. Waren dies Vorbereitungen für die Hochzeitsreise? Wo sollte die bei all dem Zeug nur hinführen? Und gab es für die Arbeit nicht genügend Bedienstete? Beseelte hatte Sleem noch nie bei körperlicher Arbeit gesehen. Er würde so etwas nicht tun, nicht einmal für die Prinzessin … Für Mo? Vielleicht. Wehmütig blickte er zum Bett hinüber. Manchmal zuckten Mos Augenlider leicht. Ein Zeichen, dass sie noch lebte. Ihr Gesicht war bleich, doch noch immer unendlich schön. Ja, für sie würde Sleem sogar Kisten auf Karren wuchten. Aber nicht mit leerem Magen. Er brauchte etwas zu Essen und zwar sofort. Er ging zur Tür, steckte den Kopf in den Gang.
„He, Ihr da! Geht in die Küche und bringt mir etwas zu Essen“, rief er einem vorbeieilenden Diener zu.
Dieser ignorierte Sleems Rufe allerdings, drehte sich nicht einmal um. Sleems Gesicht lief vor Wut rot an, er stampfte mit dem Fuß auf. Was fiel diesem armseligen Lakaien ein, war er taub? Der Diener verschwand am Ende des Ganges. Sollte Sleem etwa selbst in die Küche gehen? Sein Hunger trieb ihn dazu, doch er konnte Mo unmöglich allein lassen.
„Hallo“, rief jemand vom anderen Ende des Ganges, „Seid Ihr nicht der junge Mann, der gestern Mo besucht hat?“
Zwei von Mos Begleitern kamen auf ihn zu, die ältere Frau und der Junge. Sleem hatte ihre Namen vergessen. Was machten sie in seines Vaters Haus? Warum war kein Dienstmädchen oder eine Wache bei ihnen. Man ließ Besucher doch nicht einfach so im Haus herum spazieren.
„Wer hat Euch hereingelassen?“, fragte Sleem unwirsch.
„Die Tür stand offen. So wie die meisten Türen hier offen stehen“, entgegnete Beo.
„Wollt Ihr etwa mich, einen der klügsten und gebildetsten Köpfe des gesamten Palastbezirks mit einer derart dreisten Lüge zum Narren halten? Der Eingang zu diesem Haus ist stets von mindestens zwei Männern bewacht. Wenn auch nur einer seine Pflicht vernachlässigt, würde ihn mein Vater in die Grube werfen lassen. Also wie seid Ihr hier hereingekommen. Und keine neuen Lügen, meine Fähigkeiten, diese zu entlarven, sind weithin bekannt“, fragte Sleem noch einmal.
„Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher