Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
gewann ihr Gesicht deutlich an Farbe, sie stöhnte auch weit weniger. Nichtsdestotrotz blieben ihre Augen weiter geschlossen.
***
Nomo lief ein wenig schneller, ihr Herz klopfte wild vor Freude. Sie erinnerte sich nur lückenhaft, Kex in den letzten Tagen gesehen zu haben. Er sah weniger glücklich aus, erschöpft, düster. Der Eindruck der Erschöpfung verflog je näher er kam, die finstere Miene jedoch blieb. Ob es an dem Verdammten lag, der neben Nomo her spazierte?
„Du lässt gefälligst deine Finger von ihr! Sie geht dich nichts an“, giftete Kex Zemal entgegen, kaum dass er die beiden erreicht hatte.
Es lag also an dem Verdammten. Dieser zeigte sich von Kex jedoch ziemlich unbeeindruckt, fast hatte es den Anschein, dass er ihn gar nicht verstand. Dieses Verhalten beruhigte Kex nicht eben. Immer wieder zuckte dessen Hand zum Hosenbund. Nomo wusste, dass er dort ein Messer versteckte. Jeden Moment würde er damit auf den Verdammten losgehen. Nomo fiel Kex deshalb um den Hals und verpasste ihm einen Kuss. Ganz fesselte sie seine Aufmerksamkeit damit nicht, doch sie gewann immerhin etwas Zeit. Für einen kurzen Moment beobachtete der Verdammte sie unschlüssig, dann ging er einfach weiter. Kex entwand sich ihr und starrte Zemal mit zusammengekniffenen Augen nach.
„Was hattest du mit dem zu schaffen?“, wollte er schließlich von Nomo wissen.
„Ich … weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht. Plötzlich stand ich mit ihm in der Einöde“, antwortete Nomo, „Wie sind wir überhaupt hierhergekommen? Die letzten Tage sind … weg, lückenhaft. Ich … Was geschieht mit mir? Ich werde verrückt, oder? Es ist so schön, dass du bei mir bist. Kex, du lässt mich doch nicht allein. Versprich mir, dass du bei mir bleibst“
Nomo kullerten ein paar Tränen über die Wange. Sie trat zu Kex und presste sich fest an ihn. Zögerlich legte Kex seine Arme um sie.
„Wie die meisten Stadtbewohner bist auch du dem da …“, Kex machte eine Kopfbewegung in Richtung Zemal, „… hinterhergelaufen. Direkt in die Einöde. Und wie die meisten anderen auch, redest du fast nur noch wirres Zeug in der Sprache der Alten, verwechselst mich mit irgendeinem Wim, oder sonst wem. Ein bisschen verrückt ist …“
„Wim?“, fragte Nomo und trat einen Schritt zurück.
Bei dem Namen schossen ihr tausende Bilder durch den Kopf. Schöne Erinnerungen, ein paar weniger schöne auch. Er war ganz in der Nähe, entfernte sich von ihr. Wollte sie nicht noch mit ihm reden? Sie drehte sich um, lief ihm nach, bat ihn zu warten. Jemand packte sie am Arm und hielt sie fest.
„Nomo?“, sagte er.
Verwirrt stoppte sie. Der andere Wim, jene vertraute Hülle ohne Gedanken blickte ihr fragend und besorgt entgegen. Ihr Herz hing irgendwie an dieser Hülle, ihr Verstand fand keinen Grund dafür. Warum nur gab es Wim zweimal, warum fühlte sich der eine so falsch an wie der andere? Es zerriss sie innerlich. Vielleicht fand sie in den Gedanken des anderen die Antwort.
„Ich komme gleich zurück“, sagte sie und entwand sich mit Leichtigkeit dem Griff des Mannes.
„Bei den Alten!“, fluchte dieser, „Nomo … wach auf!“
Sie reagierte nicht mehr auf ihn.
***
„Das sind sehr beunruhigende Neuigkeiten“, sagte Georg Waldberger, „Diese Menschen, deren Gedanken du gespürt hast werden hierher kommen. Sie wollen meine Arbeit zerstören, sie wollen mich zerstören“
„Aber warum?“, fragte Ilbi.
„Sie sind verblendet. Zu meiner Zeit gab es eine Gruppe von Menschen, die jeglichen Fortschritt ablehnten. Man könnte sagen, sie hatten Angst davor. Sie nannten sich selbst die Naturalisten und sie bekämpften alles, das irgendwie nach Wissenschaft klang. Meine Forschungen waren sehr erfolgreich, ich stand im Fokus der Öffentlichkeit. Damit wurde ich auch zu einem bevorzugten Ziel dieser Fanatiker“, antwortete Georg Waldberger.
„Aber woher kommen diese Menschen jetzt so plötzlich?“, bohrte Ilbi weiter.
„Das ist eine lange Geschichte und ein Stück weit meine eigene Schuld. Ich wollte den Menschen schon damals helfen, sie vervollkommnen, die Welt voran bringen. Wenn man alles Wissen bündelt, es jedem zugänglich macht – so mein Gedanke – müsste dies gelingen. Die Idee vom Gedächtnis der Menschheit war geboren. Aber ich habe die Widerstände gegen das Projekt unterschätzt. Zu viele arbeiteten gegen mich, angeführt von meinem alten Freund Wim Kluge. Nach einem tragischen Unfall, bei dem er seine Kinder verlor, trat seine
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