Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
sogar Spiegel. Jedes Mal schlug ihr das Herz bis zum Hals und sie fürchtete, man könnte es pochen hören. Und wozu überhaupt diese ganze Maskerade? Nomo hatte schon den Küchendienst nicht verstanden. Wollte Hem sie auf ein einfaches Leben vorbereiten? Oder testete er nur ihre Ausdauer und ihren Mut? Sie hatte ihn gefragt. Seine Antwort? Alles und nichtssagend zugleich. Der Wert ihrer Aufgaben, was sie daraus lernen würde, läge in ihren eigenen Händen. Keine weiteren Erklärungen. Der Kontakt mit Hem war nicht einfach.
„Nomo? … Prinzessin Kind, wie seht Ihr denn aus“
In Gedanken versunken hatte Nomo Königin Isi nicht bemerkt. Nomos Gesicht lief rot an, sie machte aber dennoch einen Knicks, blickte dabei verschämt zu Boden. Wenigstens war Isi allein.
„Interessante Kleider. Ist dies der neue Trend am Hofe? Habe ich etwa die neueste Mode verpasst? … Nein halt, wie ich hörte, wurdet Ihr zuletzt des Öfteren mit Hem gesehen. Die Gesellschaft mit dem obersten königlichen Spion tut Euch nicht gut, Prinzessin. Was hat der alte Geheimniskrämer mit Euch vor?“, fragte Isi.
„Königin Isi … Ihr entschuldigt … ich muss … ich habe zu tun“, stammelte Nomo und eilte nach einem weiteren Knicks davon.
„Seid vorsichtig, Kind, wer zu viel Schmutz aufwirbelt, holt sich schnell eine Staublunge“, rief Isi ihr lachend hinterher.
Nomo flüchtete in den nächsten Raum. Die Augen geschlossen lehnte sie für ein Moment mit dem Rücken an der Tür, atmete heftig. Dann hielt sie plötzlich die Luft an, riss die Augen auf und blickte sich im Raum um. Das Zimmer war leer, Nomo entwich ein erleichterter Seufzer. Noch immer an der Tür gelehnt rutschte sie in die Hocke, vergrub ihr Gesicht in den Händen. Königin Isi würde diese kleine Begebenheit sicher überall herumerzählen, Nomos Mutter, ihr Vater würden davon erfahren. Sie wären entsetzt. Und wofür das alles? Nomo stand auf, schniefte und wischte mit Tränen in den Augen über eine Kommode. Was sollte Nomo das Zimmermädchen hier entdecken, das Nomo die Prinzessin übersah? Sie hatte dieses Zimmer schon hunderte Mal besucht, es war das Arbeitszimmer ihres Vaters. Schon als Kind hatte sie hier manchmal gespielt. Gedankenverloren schlenderte Nomo am langen Bücherregal vorbei, ihre Finger glitten dabei über die Buchrücken. Eines der Bücher gab unter ihrem leichten Druck ein wenig nach. Ein kurzer, kaum wahrnehmbarer Klick war zu hören. Nomo versuchte das Buch herauszuziehen, doch es klemmte fest. Sie drückte etwas stärker gegen den Buchrücken. Es ertönte ein nun deutliches Klickgeräusch und mit Knarzen schwang ein Teil des Bücherregals zur Seite. Dahinter führte eine schmale Treppe in die Tiefe. Neugierig steckte Nomo ihren Kopf am Regal vorbei, die Stufen der Treppe verloren sich in der Dunkelheit. Als sie hinter sich vom Gang her die Stimme ihres Vaters hörte, schreckte sie zurück, schubste dabei das Regal wieder in seine normale Position. Dann rannte sie los. Zu spät. Denn auch ihr Vater hatte die Tür bereits erreicht. Fast panisch blickte sie sich um, beinahe wäre sie unter den Tisch gekrochen. Die Tür öffnete sich. Nomo sprang im letzten Augenblick zur Seite, drehte sich zur Wand. Mit zittriger Hand polierte sie den alten Schrank, in dem sie sich als Mädchen manchmal versteckt hatte. Heute war er zu klein für sie. Ihr Vater lief an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. Hinter ihm kam ein weiterer Mann ins Zimmer. Sein Gesicht spiegelte sich einen Moment in der Schranktür. Hem. Er hob kurz die Augenbrauen, ein Lächeln huschte über sein Gesicht, so schien es.
„Kolat ist als Großwesir völlig ungeeignet. Warum protegiert Ihr ihn, Hem? Schließlich hat er meinen Bruder in die Einöde geschickt“, sagte der König, während er sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen ließ, „Feinde muss ich nicht noch in mächtige Positionen heben“
„Mit Verlaub, mein König, niemand hat Houst in die Einöde geschickt, er ist freiwillig gegangen. Dabei hat ja nicht er Eure Tochter entführt. Sein Motiv mag aus seiner Sicht konsequent erscheinen, für das Königreich ist sein Weggang ein herber Verlust“, antwortete Hem.
Nomo horchte, hielt sogar die Luft an. Wut und Trauer stiegen in ihr auf. Ihr Onkel hatte ihr Vertrauen missbraucht, sie entführt. Und jetzt sollte das doch nicht wahr sein? Er hatte es zugegeben. Andererseits, wieso sollte Hem ihren Vater belügen, er arbeite für ihn. Sie hatte sich nicht einmal von Houst
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