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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Jackentasche.
    Das Feuer, das in Isaacs Augen zu lodern begann, war Xiao nur allzu vertraut. Er verstand die Wut und die Frustration, die sein Bruder empfand, denn obwohl sie so viele Jahre voneinander getrennt gewesen waren, waren sie doch immer noch eine Einheit.
    Endlich setzte Isaac sich hin. Xiao fesselte die Handgelenke seines Bruders an die Stuhllehnen, die Waffe immer noch auf ihn gerichtet.
    »Warum tust du das?«, fragte Isaac und riss an den Fesseln. »Wohin bist du damals verschwunden?«
    »Unsere Mutter hat mich von hier weggebracht. Sie musste um ihr Leben fürchten, um mein Leben.«
    »Ich verstehe nicht, was das Ganze soll …« Isaac schaute Howard an. »Bist du okay, Dad?«
    Howard nickte und holte tief Luft.
    »Du weißt ja nicht, wie es ist, wenn deine ganze Welt einstürzt«, sagte Xiao. »Wenn du nachts wach liegst und dich fragst –«
    »Ob dein Bruder noch am Leben ist?«, fiel Isaac ihm ins Wort. »Ob deine Mutter noch am Leben ist? Warum sie dich verlassen hat? Oh doch, ich weiß, wie sich das anfühlt, also leck mich am Arsch.«
    »Er hat unsere Mutter getötet«, sagte Xiao. »Er hat einen Soldaten losgeschickt, der mitten in der Nacht –«
    »Nein«, rief Isaac ungläubig aus und schaute seinen Vater an.
    »Ich würde doch niemals deine Mutter töten«, sagte Howard und blickte Isaac fest in die Augen.
    »Du lügst«, brüllte Xiao.
    Howard sah Isaac an. »Ich habe damals getrunken, und ich habe deine Mutter geschlagen – das bestreite ich nicht. Aber ich habe sie geliebt, und ich hätte sie niemals töten können.«
    »Nein, du hast jemand anderen geschickt, der sie töten sollte, damit dich keine Schuld trifft.«
    »Du denkst, ich würde die Frau töten, die ich liebe? Die Mutter meiner beiden Söhne?«
    Xiao und Isaac starrten ihren Vater an, der aufschaute und vom einen zum anderen blickte.
    »Für das, was ich getan habe – und eure Mutter wusste das –, hätte man mich vor ein Militärgericht stellen, mich ins Gefängnis stecken, mich entehren können.« Er stockte einen Moment, dann bekam seine Stimme einen zornigen Ton. »Aber Admirale werden nicht vors Militärgericht gestellt.«
    »Was hast du getan?«, flüsterte Isaac.
    Howard brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Dann begann er endlich zu sprechen.
    »Nach dem V-J Day hatte man mich beauftragt, die Kriegsbeute zurückzugeben, sie in ihre Heimat zurückzubringen, dahin, wo sie hergekommen war. So ähnlich wie die Deutschen haben die Japaner Museen und Privathäuser und Banken geplündert und alles gestohlen, was sie konnten: Gold, Kunstwerke, Stücke, die Millionen wert waren und von denen man dachte, sie seien im Krieg zerstört worden. Krieg ist ein hässliches Geschäft, aber fast genauso hässlich wie das Töten ist etwas anderes: Man stiehlt den Menschen nicht nur ihre Geschichte, sondern auch das Bild, das sie von sich selbst haben. Wenn man Dinge besitzt, die anderen in Kriegszeiten gestohlen wurden, weil man ihre Häuser geplündert und sie getötet hat, dann ist das wie eine grausame Vergewaltigung ihrer Seele.
    Und wenn der Krieg vorbei ist, wenn der Sieger diese kostbaren Güter zurückgeben muss, kann man sie einfach in einer Schublade verschwinden lassen und behaupten, man hätte sie nie gefunden, man kann sie als Teil einer Museumssammlung ausgeben oder aber, und das ist noch schlimmer, sie in die eigene Tasche stecken. Jeder kommt in Versuchung, denn wir sind alle nicht unfehlbar. Deswegen müssen wir über uns selbst hinauswachsen und das Richtige tun. Und es war meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Amerika das Richtige tut.
    Während des Krieges, im Juni 1943, war ich mit einer Transportmaschine von Australien zurück zu unserem Pazifik-Stützpunkt auf Guadalcanal geflogen. Das Flugzeug war eine Douglas C-47. Wir kamen in ein Unwetter, beide Motoren haben ausgesetzt, und wir mussten auf dem Meer notlanden. Der Pilot starb beim Aufprall, und die beiden anderen Passagiere, zwei junge Sergeants in der Army, wurden schwer verletzt. Ich habe es geschafft, uns mit einem Schlauchboot zu retten. Aber bis wir auf einer Insel an Land gespült wurden, waren die beiden tot.
    Ich wusste, dass uns der Sturm weit vom Kurs und von den Schifffahrtswegen abgetrieben hatte. Ich hatte Angst, dass ich für immer dort bleiben müsste. Aber Gott sorgt für uns: Es gab dort frisches Wasser, massenhaft Fische und Obst. Ich habe mir aus Palmwedeln und entwurzelten Bäumen einen Unterstand gebaut und gewartet. Nach zwei Tagen

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