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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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wusste ich, dass niemand kommen würde. Da draußen in der Welt tobte ein Krieg; da konnte man nicht nach einem Flugzeug mit vier Leuten suchen. Ich wusste, dass man uns schon als gefallen geführt hat, und ich habe mich gefühlt wie Robinson Crusoe.
    Eines Tages habe ich mich aufgemacht, um die Insel zu erkunden und mir ein Bild davon zu machen, wie groß sie war. Ich brauchte vier Tage, um einmal ganz herumzugehen. Die Insel war größer, als ich gedacht hatte. Ich fand aber kein Anzeichen dafür, dass irgendjemand dort lebte. Die Insel war ein schlafender Vulkan und lag irgendwo mitten im pazifischen Feuerring, der die Pazifische Platte umgibt. Der gebirgige Mittelpunkt der Insel war mindestens siebenhundert Meter hoch. Um mir wirklich ein Bild von ihrer Größe machen zu können, hatte ich zwei Möglichkeiten. Ich konnte mir entweder einen Weg durch den Regenwald bahnen, einen dichten Dschungel, in dem es keine Pfade gab, denen man folgen konnte und in dem es von wer weiß was für wilden Tieren wimmelte. Oder aber ich konnte an dem Fluss entlangmarschieren, der die Insel in der Mitte teilte und ins Meer mündete. In der dritten Woche baute ich mir aus Ästen ein Floß und fuhr damit auf dem Fluss zum Mittelpunkt der Insel. Der Fluss war tief und breit und verlief durch eine vulkanische Spalte. Das Ufer war dicht und üppig bewachsen und bildete einen Baldachin, sodass man den Himmel nicht sehen konnte. Ich kam mir vor wie in einem Roman von Joseph Conrad, als ich flussaufwärts ins Herz der Finsternis trieb.
    Und was mich am Ende des Flusses erwartete, überstieg meine Vorstellung: ein riesiger, jahrhundertealter Tempel. Er stand etwa einhundert Meter hinter dem Ufer einer Frischwasserbucht, einem Hafen wie in einem alten Fischerdorf aus längst vergangenen Zeiten.
    Dort ankerten Schiffe, Geisterschiffe, sechs an der Zahl. Sie waren unterschiedlich alt und wirkten wie ein Museum, in dem der Fortschritt im Schiffbau ausgestellt wird. Da war eine chinesische Dschunke, bei der die Segel eingerollt waren, und das Schiff war gewaltig, größer als jede Dschunke, die ich je gesehen hatte. Daneben stand eine spanische Galeone mit großen Aufbauten und fast intakten Segeln wie aus einer Novelle von Patrick O’Brian; ein Schaufelraddampfer, ein Handelsschiff aus den Dreißigerjahren, ein japanisches Kriegsschiff, von dem ich wusste, dass behauptet wurde, es sei gesunken, und eine Schaluppe.
    Ich habe jedes einzelne Schiff untersucht. Sie waren alle voll funktionstüchtig, sogar die hohen Schiffe, denn die Bucht war vor Wind und Wetter geschützt. Es war, als wäre die Zeit spurlos an ihnen vorübergegangen. Das einzig Seltsame waren die Kompasse: Keiner zeigte nach Norden, stattdessen drehten sich die Nadeln ständig.
    Es gab keine Anzeichen, dass irgendwo Menschen lebten, weder auf den Schiffen noch auf dem Gelände. Ich ging auf den riesigen Tempel zu. Er hatte abgeschrägte Dächer, wie man sie in der asiatischen Architektur findet, und riesige Säulen und Mauern aus Holzbohlen. Die rote Fassade war von der Sonne ausgeblichen, und die Ecken des Baus waren verziert mit Schnitzereien von Drachen und Tigern, die miteinander kämpften. Es war, als hätte man den Tempel aus den Bergen Chinas herausgehoben und in diesen dichten Regenwald gestellt.
    Der Bewuchs um den Bau herum war gestutzt, als würde das Gelände von irgendjemandem gehegt und gepflegt, aber nirgends waren Fußspuren, kein Anzeichen dafür, dass jemand hier gewesen war, nur Natur.«
    »Was hat das mit meiner Mutter zu tun?«, unterbrach ihn Xiao ungeduldig.
    Howard atmete tief durch. »Alles.«
    Die beiden Söhne starrten ihren Vater an und warteten darauf, dass er weitersprach.
    »Ich stieg die glatten weißen Stufen hinauf, die zum Haupteingang führten, zog die riesigen Türen auf, und im nächsten Moment war mir, als würde ich in die Vergangenheit eintreten. Ich wurde von dem übermächtigen Gefühl erfasst, dass ich das Firmament des Himmels entweihen würde. Als ich ins Innere des Tempels spähte, konnte ich eine gewaltige Halle erkennen mit einem Gang, der sich in alle vier Himmelsrichtungen verzweigte. Aber das Ganze hatte etwas Gespenstisches, und ich ging nicht hinein.
    Ich schloss die Eingangstüren wieder und ging um das Gebäude herum, und da sah ich dann, wo sie alle waren. Hunderte von Gräbern mit primitiven nummerierten Grabplatten, die von Sonne, Wind und Wetter ausgeblichen und verwittert waren. Sie waren unterteilt, und als ich mir das

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