Die Legende der Dunkelheit: Thriller
er den Code ein und trat ein.
Er griff nach der Pistole unter seiner Jacke, als er die Männer erblickte. Der eine hatte dichte braune Haare, saß an einem großen Tisch, sah sich Schaltpläne an und machte sich wie wild Notizen und schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Der andere saß daneben, ein großer blonder Mann, mindestens einen Meter fünfundneunzig, in einen Roman vertieft.
Er hatte nicht damit gerechnet, hier irgendjemanden anzutreffen, und hatte deshalb überreagiert. Als ihm sein Fehler bewusst wurde, ließ er die Waffe in das Holster zurückgleiten.
»Tut mir leid«, sagte Reiner. »Sie haben mich erschreckt.«
Die beiden Männer schauten auf und nickten.
»Sergeant Reiner«, stellte Reiner sich ihnen vor und war froh, nicht chinesische Gesichter vor sich zu sehen.
»Michael«, antwortete der Mann, der sich die vielen Notizen machte, und schaute für den Bruchteil einer Sekunde von seiner Arbeit auf.
»Paul«, sagte der andere und ließ das Buch sinken. Er war groß und musterte Reiner mit misstrauischem Blick, bevor er sich wieder seiner Lektüre widmete.
»Ich muss nur schnell was holen.« Eilig ging Reiner zu dem Aktenschrank und zog die dicke Mappe mit der Aufschrift Xiao – Level5-Clearance – Streng vertraulich heraus. Schnell las er das Material durch. Es war umfangreich und enthielt Einzelheiten über Xiaos kriminelle Vergangenheit, über seinen Aufstieg zum Boss der Tigertriade und über seine Verbindung zum Terrorismus. Es führte seine Finanzholdings auf, sein Drogenverteilersystem und seine terroristischen Kontakte im Ausland.
Reiner drehte sich zu Michael um. Der bastelte irgendetwas aus Metall, irgendetwas Kompliziertes mit elektronischen Komponenten. Daneben lagen ein Zimmerschlüssel des Venetian und eine Vielzahl von kleinen Computerchips.
Er hatte keine Ahnung, was das war, und war klug genug, keine Fragen zu stellen. Er steckte das Xiao-Dossier in einen großen Umschlag, nahm eine Ausgabe der South China Morning Post , wickelte sie um den Umschlag und stopfte sich die Rolle unter den Arm.
»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Reiner, steckte den kleinen Schlüssel in die Sicherheitsanlage neben der Tür und gab die Zahlenfolge ein.
»Ganz meinerseits«, erwiderte Michael, ohne aufzublicken.
Reiner verließ das Bordell und ging nach links weiter, nahm für den Rückweg zum Hotel einen anderen Weg, so wie er es während seiner militärischen Ausbildung gelernt hatte.
Eilig schob er sich durch die Menschenmassen. Es waren nur sechs Blocks bis zur Brücke, die zum Cotai Strip führte. Er fand ihn zwar kitschig und protzig und wie eine Beleidigung gegenüber dem Verfall, durch den er gerade ging, aber mit der Akte unter dem Arm und mit dem Gefühl von Beklommenheit in dieser fremden Welt lechzte er danach, wieder dorthin zurückzukommen, es sich in seinem Zimmer gemütlich zu machen, sich irgendetwas vom Zimmerservice zu bestellen und seiner Erschöpfung nachzugeben.
Und dann sah er ihn, nur ein paar Meter vor ihm auf dem Bürgersteig, sah, wie er dort an der Ecke stand, mit dem Gesicht zu ihm, die Augen hinter einer schwarzen Sonnenbrille verborgen. Reiner wusste, dass er ihn anstarrte. Ohne weiter nachzudenken, überquerte Reiner die dicht befahrene Straße, und sofort hupten die Autos, und die Fahrer lehnten sich aus dem Wagenfenster und bedachten ihn mit chinesischen Flüchen.
Als er den Bürgersteig auf der anderen Straßenseite erreichte, sah er den zweiten Mann … und den dritten. Sie waren vor ihm und hinter ihm. Der erste rannte durch den fließenden Verkehr zu seinen Kumpels. Die drei waren ganz schwarz gekleidet, und auf den Hemdtaschen stand ein elegant geschwungenes goldenes Zeichen, 949 , das die Form einer Schlange hatte. Durch das eng an den Kopf gekämmte schwarze Haar, die einheitliche Kleidung und die Sonnenbrillen sahen die drei aus wie Brüder, doch sie hatten nicht die gleiche Hautfarbe und waren auch unterschiedlich groß, was dagegen sprach, dass sie wirklich Brüder waren. Alle drei waren dünn und sehnig und hatten etwas Gewalttätiges an sich, wie wilde Tiere, die jederzeit zuschlagen konnten.
Aus den Augenwinkeln sah Reiner, wie die Leute plötzlich an ihm vorüberhasteten, wie sie sich beeilten wegzukommen, weil sie Es ebenso deutlich spürten wie er.
Und noch bevor er einen weiteren Gedanken fassen konnte, griff ihn der erste Mann an, riss das Bein hoch und trat ihn in die Rippen. Reiner erholte sich schnell von dem Schlag und ballte die Faust,
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