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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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damit sie sehen konnte, worauf sie schoss. Sie hielt KC eine der Pistolen hin, aber die weigerte sich. KC hasste Waffen und hatte nicht vor, jemanden zu erschießen – weder mit Absicht noch aus Versehen. Sie hatten alles zusammengepackt und sich auf den Weg zum Palast gemacht, sich in der Nähe absetzen lassen und waren von dort zur Brücke gelaufen.
    Als sie die Stallungen erreicht hatten, trennten sie sich.
    KC presste sich dicht an die Mauer eines kleinen Lagerhauses und schaute auf die riesige freie Fläche, die sich vor ihr auftat. In den Schatten der Nacht sahen die Gebäude entlang des offenen Geländes aus, als entstammten sie einem mystischen Traum; die roten Mauern wirkten in dem peitschenden Regen, der in Kaskaden daran herunterströmte, als bluteten sie. Das Geräusch der Tropfen auf dem Boden und auf den gelben Ziegeldächern hörte sich an wie der rasselnde Atem eines sterbenden Tieres.
    Acht Wachmänner waren auf Patrouille – zwei paarweise, vier Einzelwachen – und machten ihren vorgeschriebenen Kontrollgang, überprüften Türen und Eingangstore, den gleichen Kontrollgang wie schon seit Monaten und Jahren, ohne dass jemals etwas passiert war. Sie trugen grün-schwarze Uniformen und Hüte mit kantiger Krempe, hatten aber keine Schirme, um sich gegen das Wetter zu schützen, sodass sie klatschnass waren.
    KC blickte nach oben, wo Annie bäuchlings auf dem Dach des Seidenmuseums lag, das Gewehr unter dem Körper. Es machte ihr zu schaffen: Frauen sollten eigentlich Lebensspender sein, keine Mörder, die Leben nahmen. Und Annie schien ihren Job zu lieben.
    KC machte sich bereit, sie verdrängte ihre Furcht, ihre Sorgen …
    »Okay«, sagte Annies Stimme in ihrem Ohrhörer. »Los.«
    Und KC rannte los: über den Innenhof des Kaiserlichen Palastes und hinein in den Schutz der Dunkelheit des Kaiserlichen Tores. Es waren über sechshundert Meter: neunzig Sekunden, in denen sie eine Zielscheibe war. Sie war noch nie in ihrem Leben so schnell gerannt. Ihre langen Beine fegten über den nassen Boden, während sie nicht nur um ihr Leben rannte, sondern auch um das Leben von Michael. Und obwohl sie so schnell lief, hatte sie das Gefühl, als würde sie durch Schlamm waten, als ob irgendeine Macht nach ihr greifen würde, um sie aufzuhalten. Doch die Umrisse des Porzellanmuseums kamen immer näher, und sobald sie die schützende Dunkelheit erreicht hatte, würden ihre Überlebenschancen um das Zehnfache steigen. Der heftige Regen schlug ihr ins Gesicht, fühlte sich an wie Nadelstiche. Er drang ihr in die Nase und in Augen und Mund, beeinträchtigte ihre Sinne. Sie hielt den Kopf gesenkt, versuchte aber trotzdem zu erkennen, ob ein Wachmann in der Nähe war.
    Endlich erreichte sie den schützenden Schatten des Kaiserlichen Tores, doch sie wurde erst langsamer, als sie an der Seite des Porzellanmuseums in Sicherheit war. Erst da richtete sie sich auf, lehnte sich dicht an die Wand, ließ ihren Blick von rechts nach links huschen, um zu sehen, ob jemand sie verfolgte, horchte auf irgendein Geräusch hinter der Geräuschkulisse des Regens, auf Stimmen, auf irgendetwas, und hoffte, dass es nicht vom Wetter übertönt wurde.
    »Sauber«, flüsterte KC schließlich. Dann drehte sie sich um und sah, wie Annie sich zu Boden gleiten ließ, wie sie die weite Strecke durch die Dunkelheit auf das andere Ende des Innenhofes zurannte und hinter dem Shan-Gebäude verschwand und nur Sekunden später mit ihrem Licht dort auf dem Dach erschien. KC sah, wie das Zielfernrohr leuchtete, als Annie das Gelände damit absuchte.
    »Okay«, vernahm sie Annies Stimme in ihrem Ohrhörer. »Bleib stehen. Du hast zwei Wachen auf drei Uhr, genau zwischen den beiden Gebäuden.«
    KC hasste den Militärjargon. Sie schaute nach rechts und duckte sich, sodass ihr Körper mit dem Schatten der Treppenstufen und des Geländers verschmolz. Ihr Herz raste, und obwohl Nacht und Regen ihr Schutz boten, fühlte sie sich wie unter einem hell erleuchteten Vergrößerungsglas.
    Etwa sieben Meter von ihr entfernt gingen zwei Wachen an ihr vorbei, ohne sie zu bemerken. Fünf Sekunden vergingen. Und dann …
    »Los«, flüsterte Annie.
    Wie eine Rakete schoss KC aus der Hocke hoch und rannte los durch den peitschenden Regen auf die Kaiserlichen Handwerkshallen zu. Beim zehnten Schritt, gerade als sie am Fanlue-Gebäude vorbeilief, sah sie den Schatten und wusste sofort, dass sie in Schwierigkeiten steckte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Mann

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