Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
oben.« Denlin grinste. »Kein poliertes Parkett und keine große Feier. Keine raffinierte Musik.«
»Macht nichts«, erwiderte Randur und fand, dass dieses Höhlenfest sich immer besser anhörte. »Ich bin mir sicher, dass Lady Eir gern sehen würde, wie man richtig tanzt.«
Sie sah kurz zu Randur hoch und lächelte. Dann wandte sie sich wieder Denlin zu. »Danke für die Einblicke, die Ihr mir gewährt habt!«
»Es war mir ein Vergnügen, Miss«, antwortete er.
Sie griff unter ihren Umhang, zog einen goldenen Sota hervor und legte ihn auf den Tisch.
»Mylady … «, murmelte Denlin.
Derart um Worte verlegen hatte Randur den Alten noch nie gesehen.
»… diese Großzügigkeit kann ich nicht annehmen … «
»Das ist für die Mädchen«, erklärte Eir entschieden.
KAPITEL 27
Wieder einer dieser eisigen Morgen, an denen sich kein vernünftiger Mensch nach draußen wünschte. Doch Inspektor Rumex Jeryd gehörte nicht zu denen, die im Warmen verweilen wollten. Ausnahmsweise wäre er liebend gern hinausgegangen, statt gekrümmt am Schreibtisch zu sitzen. Drinnen mochte es warm sein, aber Papierkram war öde. Und leider würde am Nachmittag der Erzinquisitor vorbeischauen, um sich über den Stand der Ermittlungen im Fall der ermordeten Ratsmitglieder zu informieren, in dem Jeryd kaum vorangekommen war. Nicht nur das: Es stand auch eine Untersuchung von organisierten Verbrechen gegen die Flüchtlinge an, die vor den Stadttoren lagerten. Gruppen von Männern und einzelne Frauen schlichen sich abends auf die Stadtmauern und schossen tödliche Pfeile auf die ab, die sie als Bedrohung für ihr Überleben ansahen. Anscheinend waren einige Schützen von den angeblichen Anarchisten aus den Höhlen verprügelt worden. Alle amtlichen Versuche, die Bewohner Villjamurs von Attacken auf Fremde abzubringen, waren auf taube Ohren gestoßen, da Gruppen von Flüchtlingsgegnern sich durch Vernunft allein nun einmal nicht überzeugen ließen.
Jeryd erwartete an diesem Morgen Besuch von Ermittler Fulcrom, einem recht jungen, sehr gepflegten braunhäutigen Rumel, den er seit Jahren für homosexuell hielt. Fulcrom konnte das unmöglich zugeben, doch Jeryd glaubte, es seinen Sprechpausen anzuhören. Er hielt ihn für ein ausgezeichnetes Mitglied der Inquisition. Fulcrom hatte die Vergewaltigungen in den nördlichen Höhlen aufgeklärt, herausgefunden, wer hinter dem versuchten Fischzug auf den Staatsschatz stand, und einen Kinderschänder festgenommen, als der eben wieder zuschlagen wollte.
Fulcrom und Jeryd waren kürzlich dazu bestimmt worden, sich der Flüchtlingskrise eindringlicher anzunehmen. Seiner vielen Arbeit wegen hatte Jeryd dem Jüngeren allerdings das Gros der eigentlichen Planung überlassen.
Außerdem wollte er mehr Zeit mit Marysa verbringen. Ihr Verhältnis besserte sich ständig, und er begann das Leben zu genießen. Er war seiner Frau nicht blind ergeben, doch wer hätte gedacht, dass es so herrlich war, einfach nur Händchen zu halten und sich zu küssen, während ringsum der Schnee in einem Garten aus Glasblumen niederging.
Doch noch immer hatte sie manchmal das Gefühl, jemand folge ihr im Dunkeln durch die eisigen Straßen. Wenn sie mit schwingendem Mantel herumführe, würde sie wahrscheinlich nur Stiefel übers Pflaster davonhetzen hören. Oder in einer dunklen Ecke würde jemand nach Luft schnappen. Er hatte niemandem in der Inquisition davon erzählt, denn das wäre ihm peinlich gewesen.
Jeryd zog einen Schlüssel aus der Tasche, schob die Wandvertäfelung beiseite, nahm eine kleine Truhe heraus und sperrte sie auf. Sie enthielt den Ovinistenbrief, den er in der zerbrochenen Statue entdeckt hatte. Er wusste nur, dass hier offenbar der mit einem Bann belegte Orden am Werk war, doch über die Nachricht selbst ließ sich nur spekulieren. Vielleicht konnte Fulcrom daran seinen Scharfsinn beweisen? Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, trat der junge Rumel schon in sein Büro.
»Sele von Jamur, Ermittler Fulcrom!« Jeryd stand auf, um seinem Kollegen die Hand zu geben. »Kalt heute Morgen?«
»Und wie!«, sagte Fulcrom, schüttelte seinen feuchten Umhang mit ruhigem Selbstvertrauen ab und hängte ihn an einen Wandhaken.
Jeryd warf noch ein paar Scheite ins Feuer und fachte es mit dem Schürhaken stärker an. Eine Rauchwolke schlug ihm entgegen, als hätten Kultisten ihm einen Streich gespielt, und er stolperte hustend zurück an seinen Schreibtisch.
Fulcrom war ein Rumel mit fast menschlichen Zügen: Er
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