Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
womöglich deshalb. »Ich bestell uns noch eine Flasche.« Er winkte der Bedienung. Das Mädchen nickte lächelnd, wie Kellnerinnen es eben tun, und wandte ihm den Rücken zu. »Wie findet Ihr die?«, fragte Tryst. »Hübsch oder nicht?«
    Als Tuya die abziehende Kellnerin musterte, streute er ihr heimlich ein wenig Sannindi-Pulver ins Glas.
    Sie zuckte die Achseln. »Ganz in Ordnung, denke ich, aber Ihr könntet ein viel hübscheres Mädchen haben.«
    »Tja, normalerweise bin ich ziemlich wählerisch – es liegt also wohl, wie Ihr sagtet, an der Winterstarre.« Er hob sein Glas. »Auf das Anbandeln mit jeder und jedem.«
    Sie lachte trocken und stieß mit ihm an.
    Eine halbe Stunde später waren sie bei Tuya. Sie hatten einige Zeit gebraucht, um zu ihrem Haus hochzusteigen, weil die Straßen vereist waren. Tuya war schon schläfrig – eine Wirkung des Sannindi. Als sie eintraten, war die Wohnung dunkel. Kaum hatte Tryst eine Laterne entzündet, sah er die vielen Ornamente und Antiquitäten überall. Da ihr Leben so leer ist, muss sie es wohl mit etwas füllen, vermutete er.
    Als Nebenwirkung der Droge gebärdete sie sich langsam wie eine Verliebte, doch er nutzte das nicht aus. Immerhin stand sie im Verdacht, zwei der höchsten Politiker der Stadt ermordet zu haben.
    Die Balkontür stand etwas auf – Tuya hatte sie wohl wegen des Farbgestanks einen Spaltbreit offen gelassen. Tryst trat heran, um den Winter auszusperren. Draußen waren nur wenige Lichter zu sehen. Alle Leute waren, wo sie sein sollten: im Bett oder doch im Warmen. Dann hörte er Stimmen von der Straße hochdringen, Schwerterklirren, ein kurzes Lachen. Vermutlich maßen zwei Jugendliche ihre Fechtkünste.
    Tuya ließ sich aufs Bett sinken, stützte den Kopf in die Hände, blickte mehrmals kurz zu Tryst hoch und begann sich auszuziehen. Da sie beschäftigt war, beschloss er, das Zimmer auf verdächtige Dinge abzusuchen. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte, und trat vor die verhüllten Leinwände in einer Ecke. Farbe war schließlich die einzige Spur, die Jeryd gefunden hatte.
    Von den Großformaten standen zwei auf Staffeleien; ein Dutzend deutlich kleinerer Gemälde lehnte an der Seite. Alle waren unter dickem Stoff verborgen. Also schlug er das erste Tuch auf, und zum Vorschein kam das große Bild eines ihm unbekannten Tiers. Worum es sich auch handeln mochte: Das Geschöpf hatte einige Glieder mehr als nötig. Seine Gestalt hatte etwas Primitives, und von dem Wesen ging etwas klar Unbehagliches aus.
    »Magst du … magst du die Nacht mit mir verbringen?«, fragte Tuya zitternd.
    Sie hatte die Augen geschlossen, lag seitlich auf dem Bett und trug nur noch ihre Korsage. Tryst sah die greuliche Narbe in ihrem Gesicht nun deutlich, ging aber nicht auf Tuya ein, sondern inspizierte weiter die Gemälde.
    »Du bist ein Hübscher«, kicherte sie. »Es wäre schön, wenn du bleibst. Na los – du weißt doch, dass du es willst. Ihr Männer seid alle gleich.«
    »Möglich«, erwiderte Tryst. »Einen Moment noch.«
    Sie setzte sich plötzlich auf. »Was machst du da? Sieh dir die nicht an!« Sie rappelte sich auf und stolperte ihm mit nackten Füßen über die Fliesen entgegen. Er half ihr zurück aufs Bett und stellte fest, dass sie erstaunlich schwer war. »Sieh dir die nicht an!«, wiederholte sie.
    »Warum nicht?«, fragte Tryst besänftigend. »Ich finde, Ihr seid eine wunderbare Künstlerin. Ich möchte Eure wahren Talente kennenlernen.«
    »Wirklich? Und das sagst du nicht bloß so?« Sie klang erneut verwirrt. Er wusste, dass die Droge ihr noch eine Weile zusetzen würde.
    »Nein, das sage ich nicht bloß so. Ich möchte mehr sehen.«
    »Aber … «, begann sie und verstummte.
    Nun, da sie gegen die Wirkungen des Sannindi-Pulvers ankämpfte, spürte er ihren Verdruss. Sie wollte ihm – wie ihr Blick verriet – befehlen, sich von den Gemälden fernzuhalten, doch sie wollte ihn auch erfreuen und ihm anbieten, was immer sie konnte.
    So oder so – es war ihm egal.
    »Ich will mir Eure Gemälde ansehen«, beharrte er.
    Sie begann ihre Korsage abzulegen.
    »Nein«, befahl er und packte sanft ihre Handgelenke. Sie sah aufrichtig verwirrt drein und lächelte ihn dann ein wenig gehässig an.
    So gab sie ihm wortlos zu verstehen, dass sie ihn verabscheute.
    »Ihr seid eine wunderschöne Frau, Tuya«, sagte er, um sie zu beruhigen. Eine Szene zu provozieren, war das Letzte, was er wollte. »Aber ich glaube nicht, dass wir uns nahekommen sollten, da

Weitere Kostenlose Bücher