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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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und Geflüster Tryst zur Tür sehen. Die Hure Tuya kam anmutigen Schritts und entrückten Blicks aus dem Nebel herein.
    Tryst trank noch einen Schluck Rum und beobachtete, wie sie zwischen den Tischen dahinglitt. Ihr karminroter Umhang erinnerte an die Stadtwächteruniform, war aber weit enger geschnitten, um ihre üppigen Kurven zu betonen. Eine rote Locke hing ihr ins ungemein schöne Gesicht, dessen von einer Narbe verunstaltete Hälfte mit einem Kopftuch bedeckt war. Sie näherte sich einem Tisch an der Bühne, um möglichst viele Blicke auf sich zu ziehen. Als sie den Umhang ablegte, kam ein grünes Kleid zum Vorschein, das der Mode Villjamurs in fast jeder Hinsicht widersprach, und die Unterhaltung im Saal wurde merklich leiser. Ihre Haut schimmerte im trüben Licht, und der Rauch verzog sich, als sollten alle Gäste sie möglichst gut zu sehen bekommen.
    Sie saß etwa eine Viertelstunde allein am Tisch, und Kellnerinnen brachten ihr zeitgleich die Drinks zweier Bewunderer, die sie anmutig akzeptierte, ohne die Spender eines Blickes zu würdigen.
    Männer strichen an ihr vorbei, doch sie reagierte kaum. Nach einer Weile drehte sie sich einen Glimmstängel, vermutlich aus Aronkraut, entzündete ihn an einer Kerze, lehnte sich zurück und atmete den Rauch aus. Ihr Blick ruhte dabei die ganze Zeit auf dem Lautenspieler, der seine missmutigen Akkorde noch immer mit schlecht gelauntem Gesang begleitete.
    Es würde ein langweiliger Abend für Tryst werden, falls sie weiter bloß dasitzen, rauchen und trinken wollte. Er müsste einfach warten, bis sie ging, und ihr nach Hause folgen. Um in ihre Wohnung zu kommen, könnte er sich als Freier ausgeben, doch dann würde sie ihn erkennen. Womöglich wäre das aber gar nicht übel, da er ihre kurze Bekanntschaft dazu nutzen könnte, mit ihr intim zu werden. Und wenn sie ihn bei sich einließe, könnte er sich auch ihre Gemälde genauer ansehen. Vielleicht würden die ja ein paar Hinweise liefern.
    Seit der Ausbildung zum Folterknecht der Inquisition besaß Tryst Geheimvorräte eines raffinierten Pulvers namens Sannindi, das er zu seinem Vorteil einsetzen konnte. Im Grunde war es ein Wahrheitspulver und angeblich nur über offizielle Kanäle der Inquisition zu kriegen, doch manch ein Händler verkaufte es gesetzwidrig als »Liebestrank«. Ein kleiner Spritzer im Essen oder im Getränk genügte, um Leute bemerkenswert zugänglich zu machen. Jeryd würde den Einsatz dieses Mittels sicher nicht gutheißen, doch das war Tryst gleich. Er zog eine Papiertüte mit dem roten Pulver hervor. Es war nicht genug, um sie ohnmächtig werden zu lassen, doch es würde ihr Bewusstsein so verändern, dass sie bei seinen Recherchen sehr hilfreich wäre.
    Er nahm sein Glas und die Flasche »Schwarzes Herz« und hielt durch die verrauchte Gaststube auf ihren Tisch zu. »Sieht so aus, als hättet auch Ihr keine Gesellschaft. Stört es Euch, wenn ich mich zu Euch setze?«
    Sie sah zu ihm hoch und drückte ihren Glimmstängel aus. »Ach, der Inquisitions-Gehilfe. Euer Leben muss so langweilig sein wie meins, da Ihr Euch in dieser Kaschemme herumtreibt. Dabei hatte ich Euch für gesetzter gehalten.«
    Sie wies auf den Stuhl neben sich. »Was führt Euch her? Wie geht es Eurem Freund Jeryd?«
    »Dem geht’s gut.« Tryst nahm Platz und schenkte ihnen einen weiteren Drink ein. Dann bot er ihr Aronkraut an, das er schon vorgedreht hatte.
    Sie nahm einen Glimmstängel. »Danke – eine scheußliche Angewohnheit. Hat er sich mit seiner Frau also vertragen?«
    »Ja, sie sind wieder zusammen.« Tryst stellte die Flasche auf den Tisch. Diese Nachricht schien sie aufrichtig zu freuen. Seltsam, überlegte er, wie das Glück anderer diese Frau zu beleben vermag.
    »Es ist schön, dass echte Liebe andauert und nicht nur Fremde mit dem Erstbesten zusammenziehen, um vor dem Eis zu fliehen.« Sie zog einen weiteren Glimmstängel aus der Tasche und entzündete ihn an der Kerze. »Und Ihr seid hier, um mir nachzuspionieren?«
    Tryst lachte leise und blickte zur Bühne. »Schön wär’s.« Er sah ihr in die Augen, dann anderswohin. »Ich bringe nur den Abend rum. Ihr wisst ja, wie das ist.«
    »Wieder so eine typische Villjamur-Nacht«, seufzte sie und blies Rauch aus. »Ich glaube, so wird man hier. Überall Leute, und niemand kümmert sich um einen. Kein Stück.«
    »Ganz schön griesgrämig.«
    »Die Stadt oder das, was ich gesagt habe?«
    Tryst mochte das. Sie war absolut bezaubernd – trotz ihrer Schwermut, ja

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