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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Ihr das eigentlich nicht wollt.«
    Er drückte sie von sich weg, und sie fiel aufs Bett, seufzte, schloss die Augen und lag einfach da. Ihre Korsage saß noch an Ort und Stelle.
    Tryst ging wieder zu den Leinwänden und schlug ein weiteres Abdecktuch beiseite.
    Was ist denn das für eine Magie?
    Er taumelte erschrocken zwei Schritte zurück. Ein blauer Umriss schien sich von der Leinwand zu lösen und hob und senkte sich wie eine stoßweise atmende Brust. Die Gestalt hatte praktisch keine Form. Tryst starrte sie eine Zeit lang an. Er wollte Tuya danach fragen, besann sich aber eines Besseren.
    Vorsichtig schob er ein weiteres Tuch beiseite, hinter dem eine Skizze der Stadt auftauchte, wie sie sich dem Blick aus ihrem Fenster darbot. Nichts Besonderes. Die Augen auf die pulsierende blaue Gestalt gerichtet, zog er ein weiteres Tuch weg.
    Angewidert trat er einige Schritte zurück und schlug die Hand vor den Mund.
    Tuya lag weiter auf dem Bett und starrte zur Decke. Trysts Gesicht verzog sich vor Schreck, als er das Bild betrachtete: eine aufgehackte Leiche, die allzu realistisch wirkte. Ein Herz – oder etwas Ähnliches – schlug darin, und Rinnsale roter Farbe (oder handelte es sich um Blut?) waren zum unteren Bildrand geströmt und dabei getrocknet (oder geronnen?). Was immer an die Stelle des Gesichts getreten war, sah ihn mit starrem Auge an. Er blickte sich im Zimmer um, nahm einen leeren Kerzenhalter und stupste das Wesen. Kaum stieß er es vorsichtig an, zog es sich an dieser Stelle glucksend zurück.
    Was ist das bloß? Ist das wirklich lebendig?
    »Was machst du da?«, rief Tuya unvermittelt in seinem Rücken, schnappte sich ein Messer und richtete es drohend auf ihn. »Scher dich weg von ihnen!«, fauchte sie.
    Die Wirkung des Pulvers ließ offenbar rasch nach.
    Tryst stand mit erhobenen Händen da. Um seine Panik zu verbergen, sagte er: »Ich hab mir nur angesehen, was Ihr malt … Das ist wirklich … bemerkenswert.«
    »Geh zum Bett!«, befahl sie und fuchtelte bekräftigend mit der Klinge herum, was etwas lächerlich aussah, da sie nur eine Korsage trug.
    Er tat, wie ihm geheißen. Das Messer im Stiefel wollte er noch nicht einsetzen. Ihren Verstand zu beeinflussen, wäre eine weit mächtigere Waffe, doch dazu musste er in ihr Denken eindringen. Ein wenig unterhalb der Oberfläche zu arbeiten: Dafür wurden Folterer immerhin ausgebildet.
    »Ich meine es ganz und gar nicht böse, Tuya«, sagte er und merkte, dass ihre Augen noch immer benommen wirkten.
    Sie sah ihn unsicher an, und er begriff, dass sie nicht wusste, was sie nun tun sollte. Da sie das Messer nah am Körper hielt, würde sie ihn damit noch nicht attackieren.
    So, wie sie sich verhielt, musste es sich bei diesen abscheulichen Gemälden um etwas sehr Persönliches handeln.
    »Erzählt mir von Eurer Kunst«, bat er, warf einen kurzen Blick auf die Werke und merkte, dass sie noch immer pulsierten. Sie wandte sich den Gemälden zu, und er handelte rasch, beugte sich mit dem Kerzenhalter vor und schlug ihr auf den Schädel. Tuya taumelte, blieb aber stehen, und er schlug noch zweimal fest und kaltschnäuzig zu.
    Ächzend stürzte sie zu Boden.
    Das hatte er nicht gewollt, aber hatte sie ihn nicht praktisch dazu gezwungen? Er stellte den Kerzenhalter ab, durchwühlte die Kommode neben ihrem Bett, entschied sich für zwei Gürtel und fesselte sie an Händen und Füßen. Diese Sache ließ sich nicht länger mit Glacéhandschuhen verfolgen. Hier tat sich etwas Ernstes, und er würde herausfinden, was sie im Schilde führte.
    Lautlos verließ er das Zimmer und warf dem Schrecken auf den Leinwänden einen letzten Blick zu.
    Eine Stunde später hatte er sich über seinen Kontakt in der Sigr Gata so viel Sannindi verschafft, dass es für eine längere Sitzung mit Tuya reichen würde.
    Diese Bilder bestürzten ihn, und er wollte Antworten bekommen.
    Als er zurückkehrte, lag sie bäuchlings in der Korsage auf dem Boden, wie er sie verlassen hatte. Tryst warf seinen feuchten Umhang über einen Stuhl, setzte sie auf, lehnte sie ans Bett und strich ihr mit den Händen über den Schädel, um Beulen und blaue Flecken zu ertasten. Sie waren nicht allzu schlimm, und Tuya stöhnte in seinen Armen wie eine Trost suchende Geliebte – eine Ironie, die ihm nicht entging. Er neigte ihren Kopf ein wenig weiter in den Nacken und schüttete ihr eine größere Dosis Sannindi in die Kehle.
    Während er auf ihr Erwachen wartete, stand er zitternd vor den Gemälden. Trotz

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