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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Folke hab ich mich ohnehin kaum interessiert. Schon da sie für meinen Geschmack etwas unsauber waren.«
    »Für jemanden aus einer so armen Gegend habt Ihr sehr hohe Ansprüche.«
    »Das mit der Armut war nicht immer so«, ächzte er, und sie schämte sich dafür, ihn derart abgestempelt zu haben.
    Nach kurzem Überlegen sagte sie: »Das hatte ich mir schon gedacht. Schließlich sind Eure Manieren viel zu gut, beispielsweise bei Tisch; und mir ist aufgefallen, dass Ihr Damen auf den Fluren stets den Vortritt lasst.«
    »Was nicht immer zu ihrem Vorteil ist«, erwiderte er schmunzelnd.
    »Randur, seid bitte ernst!«
    »Verzeihung!« Er grinste. »Ehe das Kaiserreich unsere Insel gänzlich unterjochte, waren wir eine reiche Familie. Eins habe ich wirklich gelernt: In Jamur haben nur die Vermögenden echte Lebenschancen. Wer die meisten Ressourcen besitzt, hat die größte Macht und den meisten Einfluss und verfügt über den Löwenanteil aller Möglichkeiten – und so sollte es einfach nicht sein. Ihr könnt in diesen Sälen tun, was immer Ihr wollt. Aber damals hatten wir auch Diener und all das, und dann haben wir unser Land verloren – meine Mutter hat mir nie gesagt, wie, aber wir haben es verloren. Alles war weg, doch sie hat mich gut erzogen, wenn auch vielleicht etwas streng. Mein Vater starb nämlich, ehe ich ihn kennenlernen konnte. Ich wuchs mit zwei Schwestern auf, doch wir standen uns nie nahe. Also musste meine Mutter sich um alles kümmern.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Ich verdanke ihr viel.«
    »Nach allem, was Ihr mir erzählt habt, solltet Ihr Euch nicht die Schuld an dem geben, was ihr widerfahren ist. Ihr seid ein anständiger Mensch, Randur Estevu.«
    Er schüttelte verlegen den Kopf, als verstünde er sich nun erst langsam. »Aber nein, ich bin ein Lügner, Dieb und Schürzenjäger und gerate in zu viele Händel, vor allem wegen meines Aufzugs. Allerdings versuche ich, dabei niemanden unnötig zu verletzen.«
    »Aber was Ihr versucht, ist überaus nobel. Wir leben in einer Zeit ohne große Kämpfe und ohne Helden, die in die Geschichte eingehen werden. Ich finde es äußerst ehrenwert, dass ein Sohn der Mutter die Möglichkeit verschaffen möchte, eine Weile länger zu leben.«
    »So einfach ist das nicht«, versetzte er.
    »Erzählt es mir«, drängte sie ihn halb spöttisch, halb im Ernst. Wie würde sie diesen Mann dazu bekommen, sich ihr gegenüber wirklich zu öffnen?
    »Habt Ihr Euch je so in der Schuld eines anderen gefühlt, dass alles, was Ihr tatet, ihn – wenn man’s recht bedenkt – eigentlich nur enttäuscht hat?«
    »Befreit Ihr Euch demnach so von der Schuld?«, fragte sie. »Wenn Ihr einen Kultisten engagiert, um ihr Leben zu verlängern, habt Ihr dann das Gefühl, Euch freigekauft zu haben?«
    »Ihr glaubt wohl, mich sehr gut zu kennen?«, fragte er drohend.
    »Ich finde Euch faszinierend, das ist alles«, gab sie zurück und hätte gern ergänzt: Aber unter diesen Umständen werdet Ihr nie erfahren, in welcher Hinsicht .
    »Wenn ich ein so offenes Buch bin, braucht Ihr mich sicher nicht zum Weiterreden zu bringen.« Mit diesen Worten ging er zu einer anderen Schrittfolge über, bei der die Dame führte. Sie bekam sie nicht sauber hin und zwang sich einige etwas plumpe Bewegungen ab, sodass er die Figur so lange mit ihr wiederholen musste, bis sie sie, ohne nachzudenken, beherrschte.
    Eir hatte das plötzliche Bedürfnis, ehrlicher zu sein, was ihre Gefühle anging. »Randur, Ihr unterscheidet Euch sehr von den anderen Männern im Balmacara. Ihr versucht nie, mich zu beeindrucken, und macht mir nicht wegen jeder Kleinigkeit Komplimente. Im Gegenteil seid Ihr mir gegenüber bisweilen regelrecht grob und ungemein flapsig und … Na ja, egal, was Ihr tut – ich interessiere mich nur immer mehr für Euch.«
    »Das leuchtet mir ein, da ich blendend aussehe.«
    »Und ich habe herausgefunden, dass Ihr nur scherzt, weil es Euch unangenehm ist, ehrlich zu sein.«
    »Unsinn, Mylady«, brummte er.
    »Und Ihr werdet grob, wenn Ihr offenkundig irrt.«
    Sie schwiegen ein wenig, und ihre Füße bewegten sich akkurat über den Steinboden.
    »Und noch eins«, sagte Eir schließlich. »Bei Eurer – nun ja – Laxheit in Fragen der Moral … «
    »Ja?«
    »Warum habt Ihr nicht mit mir anzubändeln versucht?«
    »Weil mir erstens mein Leben lieb ist und ich nicht scharf darauf bin, kastriert zu werden, und Ihr zweitens in Eurer Position gewisse öffentliche Pflichten wahrzunehmen

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