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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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aufgeräumt, und nirgends gab es Spinnweben. Wohin sie auch kam, sah sie sich von reich verzierten Artefakten umgeben, die ihr gänzlich unbekannt waren. Sie mussten aus dem Archipel stammen, deuteten aber darauf hin, dass es viel ältere Technologien gab, als sie bisher angenommen hatte – Technologien, die womöglich nicht einmal von dieser Welt waren. All diese bizarren Geräte und unbekannten Schnitzereien, die Runen, die sie nicht verstand, und die Papiere in Dartuns persönlicher Geheimschrift verunsicherten sie mehr und mehr und gaben ihr das Gefühl, eine Kultistin bloß minderer Güte zu sein.
    Ein seltsamer Geruch drang aus einem Teil des Gebäudes. Da alle Zimmer – typisch für diese alte Stadt – an langen Gängen lagen, war es zunächst schwierig, seine Herkunft zu bestimmen. Und alle Räume von Dartuns Anwesen waren so eingerichtet, dass sie beim Betreten eine plötzliche Selbsterkenntnis bewirkten und man annahm, einen neuen Aspekt seines Bewusstseins zu erkunden und nicht einfach nur in ein anderes Zimmer zu kommen.
    Als sie die Ursache des Geruchs entdeckte, wünschte sie, sie hätte es nicht getan.
    Sie rief Ordensgenossen in den langen Raum, dessen geflieste, tonnengewölbte Decke an einen Keller denken ließ, in dem es so kalt war wie draußen. Weitere Laternen wurden geholt, und bei jedem neuen Licht ging ein vernehmliches Einatmen durch die Versammlung.
    Der Raum war fünfzig Schritte lang und ungefähr zwanzig breit, und am anderen Ende lagen die teilweise verwesten Reste von Menschen, die mit einem Ring um den Hals an die Wand gekettet waren. Vor den Toten befanden sich zwei Reihen Tische, auf denen mit Stoff verhüllte Gestalten lagen.
    Papus trat an die Tische und schlug ein Tuch nach dem anderen auf.
    »Bei Bohr … «, flüsterte jemand.
    In Metallbehältern waren Fleischberge aufgehäuft und glitzerten im Licht der Fackel, die sie in der Hand hielt. Aus einigen dieser Berge stachen Knochen hervor – und Metallinstrumente, bei denen es sich vermutlich ebenfalls um Relikte handelte. Eingeschüchtert betrachtete Papus einen Behälter nach dem anderen.
    »Mist, es bewegt sich!«, keuchte sie und wies mit ihrer Fackel auf einen Fleischhaufen. Als mehr Licht zu dem Tisch gebracht wurde, sahen alle, dass der Klumpen sich hob und senkte wie der Brustkorb eines dösenden Tiers. Es war nahezu hypnotisch und absolut ekelerregend, als der Haufen sich plötzlich herumwälzte und auf seiner Unterseite menschliche Organe zum Vorschein kamen. Alle stöhnten vor Abscheu. Etwas wie ein Mund öffnete und schloss sich vorsichtig und mit einem Rasseln, als würde das Geschöpf immer aufs Neue seinen letzten Atemzug tun. Blut quoll rhythmisch direkt unter einer seltsamen, flackernden Haut auf.
    Hinter Papus übergab sich ein Kultist.
    Zum Henker, was trieb Dartun hier? Diese Gräuel waren gewiss zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft sittenwidrig.
    »Was mag das sein, Papus?«, fragte ein Ordensmädchen, in dessen dunklem, schlankem Gesicht hilflose Angst und Verwirrung standen.
    »Es ist offenbar etwas Belebtes, aber nichts, wovon ich je gehört habe. Es wäre interessant zu erfahren, ob dieses Ding den Banshees als lebendiges Wesen gilt.«
    Bemerkungen wurden getauscht, Überlegungen vorgebracht und verworfen. Sie konnten sich nur gewiss sein, dass Dartun an einem entsetzlichen Vorhaben gearbeitet hatte. Er war vollkommen wahnsinnig.
    »Mindestens zwei von euch haben das hier ständig zu beobachten«, ordnete Papus an und starrte dabei auf den gesprenkelten Fleischhaufen. »Wir werden Dartuns Relikte untersuchen. Ich will genau wissen, was hier vorgegangen ist und was der Mistkerl geplant hat.«
    Gedankenversunken ging sie durch die Flure zum Eingang zurück. Wenn sie sich mitunter schwach fühlte, schloss sie die Augen und lehnte sich an die Wand, wobei sie stets der gleiche Gedanke beunruhigte.
    Der Unterschied zwischen Leben und Tod ist nicht gerade groß.
    Falls Dartun Leben wieder zusammenzusetzen vermochte, gefährdete dies das gesamte Kaiserreich. Zum Wohl des Ganzen durfte kein Mitglied der Orden dieses Wissen an sich reißen.
    Dartun musste schnellstmöglich aufgehalten werden.
    Am nächsten Abend bestimmte Papus tief am Sitz ihres Ordens, dass die überlebenden Mitglieder des Ordens der Tagundnachtgleiche gefoltert wurden. Man nahm ihnen alle Relikte ab und ließ sie gefesselt in Kerkerzellen unter dem Balmacara zurück. Danach konnte Papus den Rat von Villjamur dazu bringen, die erfahrensten

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