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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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rascher dieses Verbrechen aufgeklärt wurde, desto besser. Niemand empfand das stärker als Urtica. Sie teilten den Wunsch, die Stadt vom Abschaum der Flüchtlinge zu befreien, und waren der Ansicht, diese Leute bedeuteten Krankheit und Aufruhr. Urtica würde alles unterstützen, um herauszufinden, wer seinen Verbündeten beseitigt hatte.
    Ein paar Stunden von Villjamur entfernt bemerkte Brynd auf der Straße nach Gish ein Pferd mit seltsamer Satteldecke, das im Birkenwald vor ihm über eine Lichtung geritten wurde. Sie hatten die Hauptstraße vor einiger Zeit verlassen und folgten stattdessen einem schmalen Schotterweg längs der Küste. Die Dörfer und Weiler Eelú, Fúe und Goúle hatten sie umgangen. Brynd hielt es für das Beste, wenn möglichst wenige Leute wussten, wo sie waren.
    Das Pferd stammte offenbar aus einer der berühmten Rotten, aber aus welcher? Das Auftauchen dieser Rotten hatte er stets als wundervollen Anblick empfunden. Daher ließ er seine Männer mit einer Handbewegung anhalten, um zu sehen, ob heute Rennen ausgetragen wurden.
    »Was gibt’s?«, fragte Apium und folgte seinem Blick.
    »Wohl nur einen Rottenreiter«, erwiderte Brynd. »Aber vielleicht sollten wir uns dessen vergewissern. Lasst uns eine Viertelstunde rasten.«
    Die Schneise durch die Lärchen führte zu einer Lichtung, auf der zwei Rotten versammelt waren. Die Anführer waren Männer, doch auch einige Mädchen ritten mit, und alle hatten die Pferde in den Farben ihrer Rotte geschmückt. Viele trugen Leder und sogar Dolche, da es hier um rauen Männerstolz ging: aufgeputzte junge Leute, die nicht wussten, wohin mit sich. Solche Rotten trafen sich auf Lichtungen, um Rennen gegeneinander zu reiten oder einfach abzuhängen, um fern von Eltern und Stadtwächtern Alkohol zu trinken und abends wahllos miteinander zu schlafen. Während der Rennen wechselte Geld den Besitzer, da die Zuschauer Wetten auf den Sieger abschlossen, und verschiedenfarbige Stofffetzen wurden nach Brynd unerfindlichen Regeln an Läufe oder Schwanz des Pferdes gebunden. Wie bei den berittenen Regimentern des Kaiserreichs wurden auch hier Stammeszeichen an die Zügel geknotet, um die Pferde möglichst individuell erscheinen zu lassen.
    Hinter den konkurrierenden Rotten lag die dunkle Ebene unter einem nieseligen Himmel, und es roch nach Wald und dem Salz des weiter südlich gelegenen Meeres. Für kurze Zeit würden sie hier zufrieden sein und Sorgen und drohende Herausforderungen vergessen können. Gerade ritten zwei junge Männer an die Startlinie, hielten an und galoppierten dann los, während die Übrigen laut jubelten.
    Der Anblick einer so unbekümmerten Begeisterung ließ Brynd spüren, dass er alt wurde. Einst hatte er jugendliche Träume, doch die schienen ihm immer mehr zu entgleiten. Womöglich sollte er außerhalb Villjamurs bleiben, wenn die Stadttore für viele Jahre geschlossen würden …
    Unvermittelt landete der Garuda bei ihm. Brynd zuckte nicht einmal zusammen, da er das Geschöpf kurz zuvor am Himmel hatte schweben sehen.
    Der Garuda hatte ein kreidebleiches Gesicht, goldenen Federschmuck und große, sauber hinterm Rücken eingezogene Flügel und maß nahezu sechs Fuß. Er trug schwarze Kniehosen, während sein Oberkörper nackt war und unter dem Daunenflaum der Brust mächtige Muskeln sehen ließ. Er hatte einen Gürtel mit zwei in Futteralen steckenden Dolchen um die Taille gebunden. Diese Wesen waren stets ein erstaunlicher Anblick. Gegenwärtig lebten über tausend von ihnen in Höhlen auf den steilen Felsklippen der Fugúl-Kolonien auf Kullrún, einer Insel, die als militärisches Übungsgebiet gesperrt war. Seit Jahrtausenden waren sie für die Kaiserliche Armee unentbehrlich. Zwar verständigten sie sich untereinander mit schrillen Vogelschreien, verwendeten Menschen und Rumeln gegenüber aber eine Zeichensprache. Wie und wann sich das entwickelt hatte, wusste niemand, doch solche Kommunikation war bei den gemeinsamen Feldzügen unerlässlich.
    »Sele von Jamur, Flügelkommandeur Vish!«, sagte Brynd.
    Der Vogelmann hob die Arme und fragte mit Handzeichen: Warum habt Ihr angehalten?
    »Nur um die Pferde ein wenig ausruhen zu lassen. Habt Ihr etwas entdeckt?«
    Bloß weitere Flüchtlinge auf dem Weg nach Villjamur. Inzwischen zelten mindestens tausend Menschen vor der Stadt.
    »Mindestens.« Brynd schüttelte den Kopf. »Was werdet Ihr während der Eiszeit tun?«
    Der Flügelkommandeur betrachtete ihn ausdruckslos und seufzte dann. Wie

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