Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
in die Höhlen?«, fragte Denlin mit Bierschaum an den Lippen.
Randur vergewisserte sich, dass der Barmann nicht mithören konnte. »Ich suche nach … gewissen Leuten.«
»Leute kenn ich jede Menge«, meinte Denlin. »Nach wem suchst du denn? Nach jemand Bestimmtem?«
Randur kam plötzlich zu dem Schluss, dass der Alte ihm helfen könnte. »Wisst Ihr, ich suche jemanden, der mir etwas abkaufen mag.«
»Kaufen und verkaufen, ja? Hmm! Du solltest in dieser Gegend mit deinen Wertsachen vorsichtig sein.«
»Kennt Ihr wen, der womöglich einen regelmäßigen Handel mit mir anfängt?«
»Kommt drauf an«, gab Denlin zurück. »Kommt drauf an, was du zu verhandeln hast.«
Randur beugte sich zu dem Alten vor. »Wisst Ihr, ich habe eine Dame gevögelt und ihren Schmuck geraubt. Ich brauche Geld, und zwar schnell.«
Denlin stieß ein heiseres Lachen aus. »Auf dem Sektor war ich früher auch bisweilen tätig. Ha! Irgendwie erinnerst du mich an mein jugendliches Selbst.«
Hoffentlich nicht , dachte Randur, lehnte sich zurück und musterte Denlin. Das wäre wirklich keine Ermutigung weiterzuleben. »Wie dem auch sei – könnt Ihr mir helfen?«
»Kann sein, kann auch nicht sein. Was springt für mich dabei heraus?«
»Jede zehnte Münze«, erwiderte Randur. »Ich habe schon viel Schmuck, und ich werde mir noch viel mehr besorgen. Ihr werdet kräftig an mir verdienen.«
Denlin nickte nachdenklich und zog eine mit Aronkraut gestopfte Pfeife hervor. »Steckst du in Schwierigkeiten, Junge?« Er zündete sie an. »Wer auf diese Weise an Geld kommen will, muss einige Probleme haben.«
Randur schüttelte den Kopf.
»Hast du Ärger?«, hakte Denlin nach. »Klopft die Inquisition an deine Tür? Oder erpresst dich deine Gattin?«
Randur schnaubte vor Lachen. »Ich habe meine Gründe, doch es reicht, wenn Ihr wisst, dass ich jemandem Geld schuldig bin.«
»Du brauchst es also rasch?« Denlin nahm einen Schluck Bier. »Mach dir keine Sorgen – ich bekomm dich schon wieder hin.«
»Das ist trotzdem keine angenehme Sache.« Randur nahm das Messer, warf es in die Luft, fing es am Griff und schob es in den Ärmel zurück. Dann trank er sein Bier aus und knallte den Krug auf den Tresen. »Wir sind also im Geschäft, Bogenschütze Denlin.«
»Dieser Name gefällt mir: Bogenschütze Denlin. Ja, wir sind im Geschäft, Junge.«
»Gut. Und wo finden wir nun einen Käufer?«
»Sieh dich um. Hier sitzen Dutzende Mistkerle, die alles kaufen, was du ihnen anbietest.«
»Haben die denn genug Bargeld?«
»Natürlich. Was glaubst du, warum sie es sich leisten können, all ihre Zeit mit Trinken zu vertun?«
Randur zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich habt Ihr recht.« Womöglich hatte der Barmann ihn doch nicht betrogen.
»Gib mir eine halbe Stunde Zeit und setz dich da drüben an den Tisch!« Denlin wies auf eine Bank, die am anderen Ende der Taverne in einem dunklen Winkel stand und neben der ein kleines Messinginstrument im Halblicht schimmerte. »Ich komme mit ein paar Kunden zurück, doch du musst uns noch einen Krug bestellen.«
Randur verdrehte seufzend die Augen und orderte zwei weitere Krüge.
»Ich dachte, du hast kein Geld mehr dabei«, meinte Denlin, verbarg sein süffisantes Grinsen hinter dem Krug und nahm den ersten Schluck.
»Eure Fähigkeit, mich zu durchschauen, ist großartig«, brummte Randur. »Eure Sehkraft kann nicht so schlecht sein.«
Denlin zückte anerkennend eine Braue. »Das Äußere kann hier unten trügen, Junge. Merk dir das, und du kommst in den Höhlen gut klar.«
Kaum hatte er den von Randur angebotenen Schmuck taxiert, verschwand Denlin wortlos. Der Junge saß allein am Tisch, blickte in die Dunkelheit und in den Rauch, lauschte dem verstohlenen Geplauder und überlegte, wie lange die Taverne geöffnet bleiben mochte.
Er ließ den Blick über die Gäste schweifen. Eine blonde Frau weinte in ihre Hände, während der Mann auf dem Stuhl neben ihr sich zurückgelehnt hatte, munter rauchte und sich nicht um ihr Elend kümmerte. Inzwischen stand ein alter Mann nackten Fußes am Tresen. Auf den Hockern links und rechts von ihm saßen zwei dreckbespritzte Arbeiter, die offenbar in Minen unter der Stadt beschäftigt waren. Müll aller Art war auf dem Fußboden zu sehen – und Flecken, von denen Randur annahm, dass es sich um Blut handelte.
Plötzlich ging ihm auf, wie viele Versehrte ihm in der Stadt begegnet waren. Vielen fehlte eine Hand, oder sie hatten schlimme Wunden im Gesicht, trugen eine
Weitere Kostenlose Bücher