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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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rief Randur ihm zu.
    Der Mann hörte auf zu schuften. »Was willst du, hm?«
    »Ist das eine archäologische Grabung?«
    Der Mann lachte. »Ein Friedhof, Junge, ein neuer.«
    »Ein neuer?«, wiederholte Randur und legte die Hände auf den niedrigen Holzzaun.
    »Ja«, sagte der Kapuzenträger. »Die Löcher weiter unten sind alle voll. Unser geschätzter Rat hat Geld aufgetrieben, um hier einen neuen Totenacker anzulegen.«
    »Ich dachte, die Leichen werden immer verbrannt. Das würde doch auch Platz sparen, oder?«
    »Da hast du recht.« Der Mann begann zu lachen. »Aber dieser Friedhof ist für hingerichtete Mörder.« Er beugte sich verschwörerisch vor. »Sie hier zu begraben, bedeutet, dass ihre Seelen an diesem Ort gefangen bleiben. Wir können doch nicht zulassen, dass sie in die nächste Welt übergehen, oder? Ha! Auch dieser Totenacker ist bald voll. Du warst noch nicht oft hier, was? Wohin bist du unterwegs, Junge?«
    »Das weiß ich nicht genau«, erwiderte Randur. »Ich möchte was verkaufen.«
    »Was denn?«
    »Ein paar Schmuckstücke. Die hab ich jetzt natürlich nicht dabei. Gibt’s hier Hehler?«
    »Kommt drauf an. Aber du wirst nicht viel für deine Sachen bekommen. Dazu müsstest du … noch tiefer absteigen, falls du verstehst, was ich meine. Weißt du, die Läden hier unten in den Höhlen verkaufen in der Regel keinen Schmuck. Der würde nur gestohlen werden.«
    »Wohin muss ich denn gehen, um einen Käufer zu finden?«
    »Kommt drauf an. Kannst du auf dich aufpassen?«
    Randur spähte in die Dunkelheit unter der Kapuze, die das Gesicht des Mannes verbarg. »So gut wie jeder andere hier, schätze ich.«
    »Das ist die richtige Einstellung, Junge! In einigen Tavernen weiter unten findest du, was du suchst. Folg einfach noch eine halbe Stunde diesem Weg. Achte auf den ›Dschinn‹ oder den ›Garudakopf‹ und sag den Barmännern dort, dass du ein paar Waren abladen willst. Wahrscheinlich wird in beiden Kneipen laut gestritten.«
    »Danke!«
    Der Totengräber streckte eine knochige Hand unter dem dreckigen Umhang hervor. Sie wirkte so blutleer, als hätte er selbst im Grab liegen sollen.
    »Richtig«, räumte Randur ein und zog eine Münze aus der Tasche.
    »Verbindlichsten Dank!«, brummte der Mann und wandte sich wieder seinen Gräbern zu.
    Tiefer in den Höhlen rückten die Häuser immer enger zusammen. Randur spähte durch laternenbeleuchtete Fenster in primitive Hütten, wo große Familien ›vertraulich beieinanderhockten‹, wie seine Mutter das genannt hätte. Und das, obwohl das Sonnenlicht nie bis hierher drang, um ihr Leben aufzuhellen! Die Wände waren so dünn, dass die Nachbarn jedes Geräusch hörten. Wie mochte es sein, wenn man schlafen wollte und ringsum Säuglinge schrien? Es gab natürlich auch keine Gärten, in denen die Kinder spielen konnten, und vor allen Haustüren war feuchte Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Überall die gleichen Braun-, Grau- und Schwarztöne. Wenn die Flüchtlinge vor den Toren der Stadt wüssten, wie man in Villjamur tatsächlich lebte, würden sie sicher lieber das Risiko eingehen, die Eiszeit anderswo zu überstehen.
    Ein vager Umriss erstreckte sich über die gesamte Höhlendecke. Etwas da oben glänzte schwach wie Sternenlicht, doch das war unmöglich.
    Unvermittelt ging ihm auf, dass er hier in den Höhlen völlig unbekannt war. Trotz seiner neuen Stellung bei Hofe war er jetzt in einer fremden Stadt, in der niemand von ihm gehört hatte. Das gab ihm ein sonderbares Gefühl, als er über das verdreckte Pflaster ging.
    Plötzlich stürmten aus einem Gebäude zu seiner Linken zwei Kerle laut streitend auf die Straße. Eine Alkoholwolke folgte ihnen, als mehrere Männer aus der Taverne strömten, um sie anzufeuern. Durch die offene Tür fiel Licht auf die groteske Szene. Die Streithähne verfluchten sich gegenseitig, wälzten sich gleich darauf im Staub, traktierten einander mit Fäusten und gingen dem anderen an die Wäsche, als wollten sie partout ihre Kleider tauschen.
    Das dürfte eine der Kneipen sein, die ich suche.
    Einer der Umstehenden löste sich aus der Menge und trat einem Kämpfer mit seinem massiven Stiefel gegen den Kopf. Der Schädel knickte nach hinten um, und der Getretene lag reglos da: Genickbruch. Der andere Mann rappelte sich auf, strich sich den Staub vom Gewand und tätschelte dem Mörder die Schulter. Mit allen anderen Umstehenden, die murmelnd ihre Zustimmung äußerten, kehrten sie nach drinnen zurück. Randur musterte das

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