Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
seit Langem stockte. Malum sah Beamis Umriss in einem der Fenster einer halbhohen Etage erscheinen. Ihre vertraute Silhouette zeichnete sich im weichen Licht der farbigen Lampen deutlich ab, als sie sich mit den Händen ins Haar fasste; ein Mann machte sich an ihrem Körper zu schaffen. All das wirkte intim und doch gleichgültig, obwohl ihn die Erinnerung an ihr Gesicht die ganze Zeit gequält hatte. Er wollte die zwei töten, damit sie nicht hätten, was er ihr nicht geben konnte. Aus elementarem Konkurrenzneid versuchte er, einen anderen daran zu hindern, in den Bereich einzudringen, den er als sein Territorium empfand.
Er schickte ein Mi tglied der Gang Verstärkung holen, wartete ein Weilchen und winkte dann den Übrigen, ins Haus zu gehen.
Sie stürmten durch die Haustür und die nippesgeschmückten Empfangsräume, traten Dekorationen um und stiegen in die oberen Stockwerke. Als Malum hinab ins Treppenhaus blickte, sah er zwanzig weitere Männer von seiner Gang das Haus betreten.
Beami war schon im langen Korridor. Dahinter stand ihr Geliebter im schwachen Licht, das durch die offene Tür fiel. Ihr Neuer war tatsächlich Nachtgardist und wartete reglos mit auf die Eindringlinge angelegtem Bogen. Auf den ersten Blick sah er nicht besonders aus, nur jünger und schlanker. Er hatte ein hageres Gesicht, und Malum wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, dass sie ihn dieses Kerls wegen verlassen hatte.
»Was willst du, Malum?«, fragte Beami.
»Dass du stirbst.« Seine Hand wanderte unwillkürlich zu seiner Klinge, und er wollte schon die Fänge blecken, doch plötzlich gewann der Wunsch, normal zu wirken, wieder die Oberhand zu haben, und er unterdrückte seinen Zorn zugunsten einer ihm undurchsichtigen Gemengelage von Gefühlen. In seiner Psyche ging alles durcheinander.
»Können wir nicht reden?«, fragte Beami.
»Wir haben nie etwas anderes getan.«
»Falsch – gerade das haben wir nie getan.«
Malum prüfte mit raschem Blick die Reaktion seiner Männer: Einige zückten die Brauen, und ihre Mienen bekamen etwas Verunsichertes. Ja, es war peinlich, abserviert worden zu sein und das Eheleben zudem vor den Jungs ausgebreitet zu sehen. Was musste er als Nächstes erdulden?
Duka wollte von hinten ein Messer werfen, doch im selben Moment feuerte der Soldat seinen Pfeil ab. Duka schrie, denn seine Wurfhand war zerschmettert und blutig, und das Messer fiel zu Boden.
Dieser Soldat war ein verdammt guter Schütze – so viel stand fest.
»Lasst uns in Ruhe!«, knurrte der Nachtgardist.
»Von wegen«, fauchte Malum zurück. Einige seiner Leute schoben sich vorwärts und schwangen erbeutete Relikte.
Tre, ein junger blonder Anfänger, fummelte an einem Messingzylinder und ließ ihn aufglühen.
Zorn flackerte in Beamis Gesicht auf. Sie beschrieb mit der Hand einen Kreis, und leuchtende Linien entstanden und wurden zu wogenden Purpurwellen.
»Du wagst es, deine verdammten Relikte gegen mich zu richten?«, höhnte sie, als stünden der Abscheu und Schmerz all dieser Jahre plötzlich leibhaft vor ihr und warteten nur darauf, von der Leine gelassen zu werden.
Tre schnellte vor und schleuderte sein Relikt, und ganz langsam und unwirklich explodierte es in kleine Nägel. Beami hob die Hand, um ihre Leuchtlinien umzulenken, und senkte den Arm dann abrupt. Die Nägel prasselten zu Boden oder an die Wand um sie und den Soldaten herum und hinterließen einen Kreis ohne jeden Einschlag. Die Leuchtlinien schwebten weiter. Tre starrte sprachlos, als ihm der nächste Pfeil des Nachtgardisten durch den Oberschenkel fuhr und ihn an den Boden heftete. Dann riss er sich schreiend die Maske vom Kopf und griff nach seinem Bein.
»Komm mir nicht mit diesem Zeug, Malum«, grollte Beami. »Wie bist du überhaupt an diese Dinge gelangt?«
»Ich hab meine Kontakte«, knurrte er. Langsam wurde er wirklich sauer auf sie. Wäre sie nur schon tot, und fiele sie doch in einem flachen Grab neben ihrem neuen Geliebten in Leichenstarre!
»Warum lässt du uns nicht einfach in Ruhe?«, fuhr sie ihn an.
Zwei Bloods feuerten ihre Armbrust ab, doch die Bolzen verfingen sich in den Leuchtlinien und schwebten. Im Zwielicht ließ sich wenig erkennen, doch Malum hockte an der Wand und traf Anstalten, den Soldaten selbst zu erledigen. Der Nachtgardist schoss weiter einen Blood nach dem anderen nieder, und Malum fragte sich, wie er bei dieser Dunkelheit so gut sehen konnte.
Beami schob ihre von Wand zu Wand in weiten Bögen gespannten
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