Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Akhaioí oder Pithicus? Weil ihr noch am Leben seid! Das dürfte als Hinweis genügen. Und bedenkt, was auf den Inseln am Rande des Reichs geschieht: Bringen unsere Feinde eure Bevölkerung dort nicht in hellen Scharen um?«
»Auch dafür fehlen mir Beweise.«
»Aber es gibt Kundschafterberichte, Randur«, erwiderte Rika. »Auf Tineag’l hat es tatsächlich ein Massaker gegeben, und deshalb wurde die Nachtgarde in den Norden entsandt. Es handelt sich nicht um eine x-beliebige Militäroperation. Die Garde sollte ermitteln, wer oder was die Siedlungen auf der Insel zerstört hat.«
»Gut«, sagte Artemisia, »dann ist die Sache abgemacht. Und jetzt lasst uns schlafen. Ich denke, ihr habt vorderhand genug erfahren. Bitte lasst auf euch wirken, was ich erzählt habe. Zwei Hanuman bringen Randur und Eir in bequeme Kabinen – dich, Jamur Rika, lade ich derweil zu mir ein, um mit dir die Zukunft zu besprechen.« Das war ganz sachlich gesagt, doch Randur wurde den Eindruck nicht los, sie habe etwas mit Rika vor. Er hoffte, Eirs Schwester wäre klug genug, sich von solchen Aufmerksamkeiten nicht beeinflussen zu lassen.
»Gut«, erwiderte Rika, »es ist mir eine Ehre.«
»Rika!«, rief Eir.
»Immer mit der Ruhe.« Randur hielt sie am Arm fest und erinnerte sie flüsternd daran, wie viele Soldaten Artemisia umgebracht hatte.
»Du kannst ganz unbesorgt sein, Eir«, versicherte Rika.
Dann schritt sie mit Artemisia davon, während ihre Schwester zornbebend zurückblieb. Randur wollte Eir umarmen, doch sie schüttelte ihn ab.
Verzweifelt hob er die Hände und murmelte: »Sie ist ein erwachsenes Mädchen. Sie ist älter als du und Kaiserin und kann tun, was sie will.«
»Aber nicht jetzt!«, fuhr Eir ihn an.
Zwei Hanuman flatterten ihm vor die Füße, kreischten und winkten den beiden mit kleinen Händen energisch, ihnen zu folgen.
Es war Nacht, und durch die Wände drang leise das Stöhnen einer Frau. Eir lag wach. Ob das Rikas Stimme war? Eine Kerze flackerte im Schlafzimmer und warf warmes Licht auf die Vertäfelung. Irgendwo unten war schon die ganze Zeit ein dumpfes Summen zu hören.
»Schlaf jetzt«, murmelte Randur in sein Kissen.
»Das ist sie«, erwiderte Eir. »Sie tut ihr was an. Es klingt, als hätten sie … na ja, als hätten sie Sex.«
»Wenigstens zwei Leute, die es sich gut gehen lassen.«
Sie gab ihm einen Klaps auf den Rücken, und er ächzte. »Rika doch nicht! Das hat sie nie getan. Und Artemisia ist nicht mal ein Mensch. Das ist verkehrt, und es klingt, als leidet Rika Schmerzen. Vielleicht wird sie ja gefoltert!«
Einen Moment lang war es ganz still. Dann drang Rikas Stimme wie eine leise Banshee durch die Nacht, und gleich darauf erklang ein sinnliches, tiefes Stöhnen. Eir wollte aufstehen, doch Randur legte den Arm über ihren Oberkörper, beugte sich zu ihr und blinzelte im Kerzenlicht. »Eir, das klingt nicht nach Folter. Falls es Sex ist, erstaunt mich das auch, doch Rika weiß bestimmt, was sie tut. Da sie noch nicht tot ist, dürfte Artemisia das Mädchen jedenfalls nicht hassen. Und sollten sie eine Art Beziehung entwickelt haben, dürfte das ein gutes Zeichen für uns alle sein. Sieh uns an – der Mistkerl Munio hat uns verraten. Wir wären fast verschleppt und demnächst hingerichtet worden, und dann ist diese … Kreatur vom Himmel gefallen und hat uns gerettet. Sie braucht uns lebend oder jedenfalls Rika. Solange wir also auf ihrer Seite stehen, sind wir sicher.«
»Vielleicht hast du recht.«
»Wie immer.«
»Und was war mit Munio?«
»Na ja, wie fast immer.«
Seine Miene besänftigte sie. Er versuchte zu lächeln, doch langsam hatte sie gelernt, seine gespielte Tapferkeit zu durchschauen. Sie wandte sich ab, um zu schlafen, doch die Geräusche ihrer Schwester beunruhigten sie weiter.
Einschlummernd fragte sich auch Randur, was Artemisia mit Rika trieb.
Am Morgen fluteten rote Sonnenstrahlen übers Deck. Wind umtoste sie, und das riesige Schiff ächzte unter den Elementargewalten, blieb aber stabil. Hanuman umflogen es und wirkten im Gegenlicht wie eine überdimensionale Möwenschar. Randur beschloss, sich einen dieser geflügelten Affen als Schoßtier zuzulegen. Sie waren ungemein hübsch und konnten einem nichts zuleide tun. Er würde Artemisia um so ein Wesen bitten.
»Wo sind die anderen?«, fragte er.
Eir hatte gar nicht gut geschlafen und ihn die halbe Nacht wach gehalten. Nun lehnte sie an der Brüstung und sah auf die Wolkendecke hinab.
Er trat zu ihr und
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