Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
nicht, wovon du redest, Schwesterherz.«
»Hört mal, Eir und ich fragen uns, ob sie Euch letzte Nacht gebumst hat«, mischte Randur sich ein. Die drei Frauen sahen ihn finster an, und er spürte ihre Wut. Entschuldigend hob er die Hände und wusste, dass er etwas zu ungehobelt gewesen war.
Artemisia baute sich vor ihm auf, ließ ihn dann aber stehen. Ein Dutzend Hanuman kreisten über ihren Köpfen, und sie redete in ihrer kehligen Sprache mit ihnen. Dann wandte sie sich wieder ihren Gästen zu, doch nur Randur achtete auf sie. Eir und Rika dagegen blickten sich an, und der Bruch zwischen ihnen war quälend deutlich.
»Wir reisen«, verkündete Artemisia.
KAPITEL 38
K aum war es dunkel, durchkämmten die Bloods systematisch die Straßen auf leer stehende Häuser oder auf Unterkünfte hin, in die ein Nachtgardist und eine Kultistin geflohen sein könnten. Die ganze Zeit tobte ein bitterer Schneesturm.
Malum hatte die Mitglieder seiner Gang ermuntert, ihren brutalen Neigungen Zucker zu geben. Seine Wut hatte sich mit abgründig-seltsamen Aspekten seines Vampirismus verbunden. Nun waren die Mitglieder seiner Bande maskiert, rauchend und mit klarem Ziel unterwegs. Sie stolzierten schwadronierend durch die Straßen und brüllten Frauen, die aus den Bars nach Hause gingen, Beleidigungen zu. Mit Handzeichen schüchterten sie Mitglieder anderer Gangs ein, die sich im Zwielicht herumdrückten: Greift uns doch an, ihr Feiglinge! Es gab Drohgebärden und vorgetäuschte Raufereien, Beschimpfungen und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Die Aggressivität köchelte vor sich hin.
Malum trug Mantel, Maske und schwere Handschuhe und ließ vor denen, die zögerten, die Klinge blitzen, woraufhin sie ihm winselnd Antwort gaben.
»Nein, wir haben nichts gesehen.«
»Bitte, wir sind bloß zwei alte Schwestern.«
»Was soll denn das so spät? Ach, du bist’s, Malum – ich wollte nicht grob sein, ich … «
Er fand heraus, wo die Vermieter der Elendsquartiere wohnten, die mit Genehmigung des Bürgermeisters die Armen abzockten, obwohl sie kein Beherbergungsrecht besaßen und oft mehrere Nächte lang nicht über Feuerkorn verfügten. Er prügelte sie, weil sie ihm kaum eine Hilfe waren, vielleicht auch, weil sie es verdienten. Einer, den Malum besonders verachtete, musste für ihn als Blutspender herhalten: In seinem neuen Anwesen in Narbenhaus fielen Malums Leute fröhlich über ihn her und schlugen die Zähne in all seine Venen und Arterien. Malum nahm ein Glas aus der Hausbar des Mannes, füllte es mit dessen Blut, hob es und brachte einen Trinkspruch auf die Gesundheit seines Opfers aus.
Fünfzig Gangmitglieder streiften durch die Straßen und Bezirke, in denen die Flüchtigen sich am ehesten aufhielten. Sie traten Türen ein und überraschten Paare, die es wie Tiere trieben; sie störten drei alte Kultisten, die ein Energienetz auf den Eingang richteten, um ihnen den Eintritt zu verwehren; sie empörten einen verstimmten Rumel von der Inquisition, der eine Hose in schrecklichen Farben trug.
Den ersten echten Hinweis bekam Malum vom dicken, einsamen Besitzer eines Mietshauses, den er beim Liebesspiel mit einem Porno-Golem ertappte, den er ihm womöglich selbst geliefert hatte: »Ja, die waren hier, eine Etage tiefer, vorgestern, eigentlich nur die Frau, denn ihr Gefährte hat sich am Abend in die Kaserne verdrückt. Sie sind aber nur eine Nacht geblieben.«
»Wo sind sie hin?«
Der Mann zuckte die Achseln und zog verlegen die Laken hoch, um den sich windenden rosa Golem zu verbergen, der aus dem Bett zu fallen drohte und dessen grell geschminkter Mund dauernd verschämte Überraschung bekundete, wobei er sich die Lehmbrüste tätschelte. »Ich hab sie von einem Hotel sprechen hören, zwei Straßen weiter westlich, aber den Namen hab ich nicht mitbekommen.«
Sie zogen mit dem üblichen Tamtam weiter, mieden aber Patrouillen und wagten sich auch nicht zu nah an den Hafen, wo militärische Disziplin herrschte. Ärger mit Soldaten würde sie zu sehr von ihrem einfachen Ziel ablenken: Beami und ihren Geliebten zu finden und zu töten. Ob das Zeitverschwendung war, kümmerte Malum wenig, denn er besaß Geld und Mittel genug für diese Suche.
Zehn seiner Leute durchkämmten ein anderthalb Kilometer außerhalb der Altstadt gelegenes Viertel und fanden die zwei schließlich aufgrund eines Hinweises.
Malum wartete und sammelte sich. Das Hotel war eines der teureren, das zwischen riesigen gotischen Türmen errichtet war, deren Bau
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