Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
jemanden zu finden. Die anderen schlafen leider alle – würde es Euch etwas ausmachen, Euch um sie kümmern?«
»Wer ist es denn?«, wollte Beami enttäuscht wissen.
»Ihr Name ist Bellis, und sie ist ziemlich alt.«
»Sag ihr, ich komme gleich!«
In einem düsteren Flur, über den immer wieder Soldaten hetzten, erklärte Bellis gewissenhaft, wer sie war und was sie wollte. »Ich suche die Jungs, Ramon und Abaris – die hab ich nun schon lange nicht mehr gesehen.«
»Ich erinnere mich an die zwei«, erwiderte Beami sanft. »Sie haben ihre Dienste angeboten, doch leider wurden sie wohl im Gefecht getötet. Sie haben aus den Körperteilen vieler Gefallener einen ungemein beeindruckenden Golem geschaffen, der die Angreifer eine Zeit lang aufhielt … Sie waren wirklich sehr tapfer … «
»Diese dummen Burschen«, flüsterte Bellis und hatte Mühe, nicht loszuschluchzen.
Beami legte ihr den Arm um die Schulter. »Es tut mir leid. Habt Ihr den beiden sehr nahegestanden?«
»Wie kann ich unsere freundschaftliche Bindung in einer Welt erklären, in der alle uns für nutzlos hielten?« Tränen traten ihr in die Augen, und sie kniff sie fest zu.
»Aber, aber«, beruhigte Beami sie. »Kommt erst mal ins Warme.«
Sie betraten ihr Zimmer, wo Beami ihrem Gast und sich Whisky eingoss. »Das beseitigt die Erschütterung nicht, doch es lindert die Qual. Und nun sagt mir, was Ihr in Villiren getrieben habt.«
Bellis erklärte ihr ausführlich, was sie und ihre Mitstreiter vom Orden der Grauhaarigen die ganze Zeit in der Stadt getan und gesucht hatten und dass sie jemanden brauchte, um es bergen zu helfen. Fasziniert und ohne Zögern bot Beami ihr Unterstützung an.
»Euch ist aber klar, dass es sich um eine große Sache handelt?«, warnte Bellis. »Es kann durchaus zu weiträumigen Zerstörungen kommen.«
»Wenn es die Dinge zu unseren Gunsten wendet, wird es letztlich viele Leben retten. Allerdings verstehe ich die Dimensionen Eures Plans wohl noch nicht.«
Bellis nickte. »Dann, meine Liebe, zeige ich sie Euch.«
Die beiden Kultistinnen schlüpften unauffällig an Soldaten, Barrieren und an den an Scheiterhaufen Trauernden vorbei durch die nächtliche Stadt. In tiefer Dunkelheit näherten sie sich ihrem ersten Ziel.
Dort zog Bellis ein Brecheisen hervor und wandte sich an Beami. »Mein Rücken ist nicht mehr, was er mal war. Könntet Ihr mir mit dieser Platte helfen?«
Sie wies auf einen Stein, der ein ungewöhnliches, Beami unbekanntes Symbol trug. Ein Zauberzeichen? Zusammen konnten sie die Platte heben und beiseiteschieben. Darunter lag – in den Boden gebettet – ein Relikt. Nur der Scheitel der Kugel war sichtbar.
»Das ist ein Hefja «, erklärte Bellis.
Dabei sah sie ihre Begleiterin an, als erwartete sie, verstanden zu werden. Beami glaubte, das alte Wort bedeute »heben« oder »aufrichten«, und sagte das auch.
»Stimmt, und das ganz buchstäblich. Schön und helle – wie erstaunlich!«
Da verstand Beami, wie all diese Relikte funktionieren würden. Bellis hatte bereits erklärt, dass eine Reihe dieser Symbole überall in der Stadt aufgemalt war – Zeichen, die sie mit ihren beiden Kameraden beharrlich im Rückgriff auf Ley-Linien ausfindig gemacht hatte. »Diese Fundstellen sind bis auf den Fingerbreit genau verteilt«, fügte Bellis hinzu. »Sie alle sollten, einmal präpariert, genügen.«
»Woher wollt Ihr wissen, ob sie erfolgreich sind? Wenn alle aktiviert sind, seid Ihr schließlich woanders?«
»Es sind insgesamt zehn, und wir können nur das Beste hoffen. Wisst Ihr, das ist nicht mein erstes Mal … « Bellis lächelte, und ihr Gesicht bekam lauter Freudenfalten.
Beami fühlte sich von ihrer Zuversicht beflügelt und musste zugeben, dass die Aufgabe, Bellis durch die Stadt zu begleiten, sie auf andere Gedanken gebracht und davor bewahrt hatte, allein dazusitzen und über Lupus zu brüten.
Sie sah zu, wie Bellis das Gerät scharf machte, an Einstellringen drehte und die Linke auf die Kugel legte. Als die alte Frau die Hand wegnahm, blieb sie gespenstisch unter der Oberfläche sichtbar.
»Die ist aktiviert«, erklärte sie mit befriedigtem Seufzen. »Gut, machen wir uns an die Nächste.«
Sie besuchten mehrere Viertel der nächtlichen Stadt und kamen durch trostlose Gassen und durch Gänge, in denen die Leichen übereinanderlagen. In der Ferne waren Explosionen zu hören, und kurz darauf flogen Garudas hoch über sie hinweg.
Zum Glück lagen acht der zehn Geräte in Gebieten, die
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