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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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oberirdischen Viertel – geisterhaft verlassen.
    So also hatte Malum wirklich gelebt. Sie waren immer eine fadenscheinige Tarnung gewesen, seine Handelskontakte, sein Netzwerk, all die wichtigen Geschäftsvorgänge, über die er nicht reden konnte. Er hatte stets mit hinterhältigen Menschen verkehrt, doch sie hatte nie ganz begriffen, welche Ausmaße sein Unterwelt-Dasein besaß.
    Der Junge sagte wenig und murmelte nur ab und an ein paar Worte, um einen Richtungswechsel anzukündigen. Er hatte eine Fackel dabei, die für bizarre Schatten auf ihrem Weg sorgte. Beami stellte ihm Fragen, um sich Malums anderes Leben besser vorstellen zu können: »Wer bist du?« - »Woher kommst du?« - »Wie alt bist du?«
    Auf die Frage, wo seine Familie lebe, antwortete der Junge schließlich: »Die Bloods sind meine Familie.«
    In der anderen Hand trug er ein Kurzschwert, und er hatte sichtlich Angst, die Kultistin begleiten zu müssen. Mit raschen Seitenblicken und nervösen Schritts führte er sie zu dem Gewölbe.
    »Was sind das für Kisten?« Holzbehälter waren planlos überall im Tunnel gestapelt.
    »Irgendwelche Drogen. Alkohol. Nichts Besonderes.«
    »Und ist das eine Leiche?« Sie wies auf eine halb offene Kiste, aus der ein Menschenarm zu hängen schien.
    »Nur ein Golem – für Sex und so, wisst Ihr? Und das ist das Gewölbe, in das Ihr wollt.« Die höhlenartige Öffnung war durch eine solide Holztür versperrt. Der Junge sperrte sie auf und drückte sie mit erstaunlicher Kraft nach innen.
    Dann trat er beiseite und gab ihr die Fackel. In der unscheinbaren Kammer war der Hausrat ihrer gemeinsamen Vergangenheit versammelt. Sie war doch gar nicht alt – wie hatte sie es da geschafft, so viel Krempel anzuhäufen? Vasen, Teppiche, Messingfiguren, Gemälde, alles war getränkt mit Erinnerungen, doch sie schob sie weg und suchte fast eine halbe Stunde, während der Junge draußen mitunter stöhnend sein Missfallen bekundete.
    »Dauert’s noch lange?«, fragte er schließlich.
    »Bin fast fertig.«
    Malum hatte ihre Relikte nicht angerührt und sie in einer Schachtel ganz hinten im Gewölbe verwahrt. Sie hatte befürchtet, er könnte sie in seiner Wut womöglich zerstört haben.
    Kaum hatte sie das Brotna -Relikt entdeckt – den Kegel, an dem sie tagelang gearbeitet hatte – , fiel alle Anspannung von ihr ab. Da sie sonst nichts aus der Schachtel brauchte, nahm sie nur dieses Gerät und verließ das Gewölbe.
    »Wurde auch Zeit«, brummte der Junge.
    Am Abend deponierte Beami das Relikt in ihrem kleinen Zimmer in der Zitadelle. Wegen der militärischen Absperrungen hatte sie weite Umwege auf sich nehmen müssen, um dorthin zurückzugelangen. Ständig hatten Dragoner oder Infanteristen sie eine andere Straße entlanggeschickt. Die angreifende Armee war weit in die Stadt vorgedrungen und hatte halb Villiren besetzt, doch auf der Seite der Verteidiger war es noch recht sicher.
    Es waren kaum noch zehntausend Kaiserliche Soldaten übrig. Eine niederschmetternd hohe Zahl war gefallen. Erschöpfte Männer und Frauen traten immer und immer wieder an, um sich den Angreifern entgegenzustemmen, und ihre Mienen wirkten gequält, entschlossen und verängstigt zugleich. Es gab nur noch wenige, recht weit voneinander entfernt operierende Einheiten der Bürgerwehr, und Beami fragte sich, ob die meisten Mitglieder niedergemetzelt oder anderswo postiert worden waren. In einigen Straßen hatten sich wahre Blutbäder ereignet, und noch immer lagen dort die Überreste von Menschen und Rumeln. In einer Gasse war sie an den Leichen mehrerer Dragoner vorbeigekommen, die sich an einer Mauer hatten aufstellen müssen und geköpft worden waren. Sie hatte sich dieses Massaker anzusehen gezwungen, um sich einzuprägen, was hier geschah.
    Wohlbehalten in der Zitadelle angekommen, hatte sie sich erschöpft am Kamin in einen Ruhesessel gelegt und sich gesagt, Lupus sei noch am Leben und irgendwo in geheimer Mission unterwegs. Er war schließlich Nachtgardist, einer der besten sogar. Doch das linderte ihre Ängste nicht. Sie gelobte sich, möglichst rasch mit ihm aus diesem Chaos zu verschwinden. Für ihn hatte sein Dienst als Soldat Vorrang, doch falls er den Krieg überstand, würden sie zusammen davonziehen und irgendwo in Frieden leben.
    Es klopfte, und ein Soldat trat ein.
    Beami schrak hoch. »Ist die Nachtgarde zurück?«
    »Nein, noch nicht«, erwiderte der junge Mann. »Eben ist eine neue Kultistin gekommen. Sie braucht Unterstützung, um

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