Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat
einmal für eine Glanzleistung gelobt.
Nyra nickte Gwyndor zu. „Schön, dass du wieder da bist. Hast du die Kohlen für die Feuerkrallen dabei?“
„Jawohl, Herrin. Jetzt muss ich nur noch meine Schmiede-Esse aufbauen. Ich hätte da eine Bitte.“
„Und die wäre?“
„Ich brauche jemanden, der mir dabei hilft.“
„Kein Problem.“ Nyra wandte sich zu ihren Offizieren um. „Das übernimmst du, Uglamore.“
„Das ist sehr freundlich, Herrin“, sagte der Schmied hastig, „aber ich dachte eher an …“
„An wen?“ Nyra war hörbar verärgert. Sie war es nicht gewohnt, dass man ihre Entscheidungen infrage stellte.
„An Euren Sohn, Herrin. An Nyroc.“
„An Nyroc? Wie kommst du denn ausgerechnet auf ihn?“
„Ich glaube, er hat die Begabung, mit Feuer umzugehen.“ Das war nicht gelogen. Wenn Nyroc wirklich ein Flammenseher war, reichten seine Fähigkeiten weit über die eines jeden Schmieds hinaus.
„Du meinst, aus ihm könnte einmal ein guter Schmied werden?“
„Oh ja, Herrin, ein hervorragender sogar! Sicherlich soll er als Euer Sohn einmal Heerführer werden, aber bis es so weit ist, könnte er vielleicht die Schmiedekunst erlernen.“
Ein Raunen ging durch die Anwesenden. Nyra erwiderte nach kurzer Überlegung: „Ein ungewöhnlicher Vorschlag … aber wenn du Nyroc richtig einschätzt, wäre das ein großer Vorteil für mein Volk.“
„Ich irre mich in solchen Fällen selten, Herrin. Ich würde Euren Sohn ausbilden und anschließend könnte er das Erlernte an andere Tytos weitergeben. Dann müsstet Ihr Euch nie mehr um Nachschub an Kampfkrallen und Feuerkrallen sorgen.“
Nyras Augen leuchteten. Sie plusterte sich auf, sodass ihr Gesicht noch größer wirkte. „Komm zu mir, mein Sohn.“ Die anderen Eulen machten Nyroc Platz. „Hast du gehört, was der Schmied gesagt hat?“
„Jawohl, Oberste Mutter.“
„Du könntest gleich nach deiner Großen Feier mit der Ausbildung anfangen.“
Gwyndor erschrak. „Wann soll die Feier denn stattfinden?“, erkundigte er sich.
„Morgen Abend.
„Das ist leider ungünstig.“
„Wieso?“
„Ich muss meine Schmiede-Esse so bald wie möglich in Gang bringen, sonst erlöschen die Spezialkohlen, die ich mitgebracht habe. Wie und wo man eine Esse aufbaut, muss ein Schmiedelehrling als Allererstes lernen.“
„Verstehe. Nun, ich wüsste nicht, was dagegen spricht, dass Nyroc dir jetzt gleich hilft.“
„Danke.“ Es hatte geklappt. Gwyndor würde Gelegenheit haben, allein mit Nyroc zu sprechen. Schon dafür hatten sich alle Anstrengungen gelohnt: der Rückflug bei Gegenwind, der Kampf mit den Krähen. Ein Flügelschlag nach dem anderen , wiederholte der Schmied im Stillen den weisen Rat seiner Mutter.
Nyroc war überglücklich. Der Schmied hat vorgeschlagen, dass ich sein Gehilfe werde! Er sagt, ich habe die Begabung, mit Feuer umzugehen … was meint er eigentlich damit? Der junge Schleiereulerich und der Schmied flogen gerade über einen Bergkamm auf der gegenüberliegenden Seite des Uhutors. Schließlich ging Gwyndor in den Sinkflug. Doch zu Nyrocs Überraschung landete er auf einem hohen Felsen. Weit und breit waren keine Nischen oder Höhlen zu sehen.
„Willst du die Werkstatt hier einrichten?“, fragte Nyroc verwundert.
Am liebsten hätte ihm Gwyndor gestanden: Ich will gar keine Werkstatt einrichten. Das war nur ein Vorwand, um mit dir zu sprechen. Doch was hatte die Schmiedin gesagt? Die Wahrheit muss jeder für sich selbst herausfinden. Gwyndor würde erst einmal Feuer machen und abwarten, was die Flammen dem Kleinen zeigten. Vielleicht sah Nyroc ja von selbst, was los war. Vielleicht prägte sich ihm die Wahrheit dann umso nachdrücklicher in Herz und Magen ein. „Ja, du hast Recht“, sagte er darum. „Das hier ist kein passender Ort für eine Schmiedewerkstatt. Ich will mich nur kurz ausruhen. Mein Rückflug war sehr anstrengend. Ich hatte Gegenwind.“
Nyroc musterte seinen künftigen Lehrmeister. Der Alte sah ulkig aus, fand er. Als Maskenschleiereule besaß auch Gwyndor einen herzförmigen Gesichtsschleier, aber keinen schneeweißen. Er schien eine graubraune Maske zu tragen. Sein Schnabel war von der Arbeit an der rußenden Esse schwarz verfärbt. Seine Beinfedern waren größtenteils abgesengt und die knubbeligen Kniegelenke waren kahl. Seine Zehen waren verkrümmt von der schweren Arbeit mit Hammer und Zange. Nyroc hatte den Eindruck, dass ihm der Schmied etwas mitteilen wollte, doch da breitete Gwyndor
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