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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Schatz.“
    Weil Nyroc keinen Vater mehr hatte und weil in der Umgebung alles Moos verbrannt war, musste sich Nyra doppelt so viele Dunenfedern ausreißen wie andere Eulenmütter. Nyroc fragte sich manchmal, ob er selbst wohl auch zu einem solchen Opfer fähig wäre. Er konnte sich nicht vorstellen, dass etwas weniger Schmerzen verursachte, wenn man es für jemanden tat, den man lieb hatte. Überhaupt war er sehr schmerzempfindlich. Er hatte kläglich gejammert, als ihm die ersten Flugfedern gesprossen waren und seine weiche Haut durchstoßen hatten.
    Am liebsten hätte er seiner Mutter zugeraunt: Weißt du, Mama, was ich im Feuer gesehen habe, das ist bestimmt nicht wahr. Er dachte an die eigenartige rötliche Flamme mit dem blauen Inneren und der Umrandung, die womöglich grün war. Seine Mutter hatte ihm versprochen, ihm nach seiner Großen Feier einen belaubten Baum zu zeigen. Meine Große Feier  …
    Was ihn bei der Feier wohl erwartete? Wie jedes Mal, wenn er daran dachte, bekam Nyroc scheußliches Magendrücken. Er dachte besser schnell an etwas anderes.
    Daran, wie ihn seine Mutter angeschaut hatte, als er zu ihr gesagt hatte: Ich hab dich ja soooo lieb, Mama. Nyra hatte ein Gesicht gemacht, als könnte sie mit dem Wort „lieb“ überhaupt nichts anfangen. Er hörte sie wieder sagen: „Du musst hassen lernen, Nyroc. Ich helfe dir dabei.“ Sein Magen erschauerte.
    Die Flammen hatten ihm eine lange, blutige Geschichte offenbart. Sie begann mit seinem Vater, zu einer Zeit, da Kludd sogar noch jünger gewesen war als Nyroc. Kludd hatte seinen Bruder Soren aus dem Nest gestoßen. Danach hatte Nyroc seine Mutter erblickt, wie sie versuchte, eine andere junge Eule zu töten, die seinem Onkel sehr ähnlich sah. War das Eulenmädchen womöglich Sorens Schwester? Bruchstückhafte Bilder von Kampf und Tod waren aufgeflackert. Zum Schluss hatte Nyroc in den lodernden Flammen die Höhle gesehen, in der sein Vater den Tod gefunden hatte. Aber nicht Nyrocs Onkel Soren hatte seinen Bruder töten wollen, sondern es war gerade umgekehrt. Kludd hatte versucht, Soren zu töten. Doch ein Bartkauz war Soren zu Hilfe gekommen und hatte Nyrocs Vater mit einem Schwerthieb das Rückgrat gebrochen.
    Nyroc musste unbedingt in Ruhe über das Gesehene nachdenken. Dazu musste er sich allerdings von den anderen Reinen zurückziehen – vor allem von seiner Mutter. Aber allein woanders hinfliegen konnte er nicht, denn er kannte sich nur in der näheren Umgebung aus.
    Sein Freund Schmuddel fiel ihm ein – der war schon in anderen Eulenländern gewesen. Schmuddel war obendrein ein hervorragender Navigator, der sich bei jedem Wetter orientieren konnte. Er hatte sogar Erfahrung mit Waldbränden und giftigem Rauchgas. Nyroc ging plötzlich auf, dass sein Freund seine Begabungen nie nutzen durfte, weil er als „nicht rein genug“ galt. Man hatte ihm immer die niedrigsten Arbeiten zugewiesen und ihn wie einen Dummkopf behandelt. Dabei waren die Reinen die Dummen gewesen, Schmuddel so zu unterschätzen! Nyroc würde nicht denselben Fehler machen. Er würde Schmuddel fragen, ob … Halt! Von jetzt an werde ich ihn nie mehr „ Schmuddel “ nennen. Er heißt Philipp! Zusammen mit Philipp werde ich die Wahrheit herausfinden.
    Philipp und er mussten sofort aufbrechen, auch wenn die Sonne schon aufging. Sie mussten es darauf ankommen lassen, dass sie vielleicht von Krähen angegriffen wurden. Genauso mussten sie es darauf ankommen lassen, dass sie sich in dem Schluchtenlabyrinth hoffnungslos verflogen und dass Nyrocs Mutter sie verfolgen ließ.
    Bevor Nyroc die Höhle wieder verließ, betrachtete er noch einmal seine schlafende Mutter. Nyra war das schönste Eulenweibchen, das er je gesehen hatte. Daran änderte auch die Narbe in ihrem Gesicht nichts. Ich lasse alles hinter mir, was ich kenne und woran ich glaube , dachte Nyroc. Ich lasse meine Schlafhöhle zurück und mein Lager, das meine Mutter mit ihren eigenen Dunen ausgepolstert hat. Ich lasse die Felswand zurück, die mir im Sommer Schatten gewährt hat und im Winter Schutz vor dem eisigen Wind. Ich lasse die bunten Adern im Gestein zurück, die wie ein Regenbogen leuchten. Ich lasse die dicken Ratten zurück, die meine Mutter mir immer fängt, und die Füchse, vor denen ich mich fürchte, aber deren Fleisch köstlich schmeckt. Ich lasse meine Mutter zurück, die Jägerin. Ich lasse meine Mutter zurück … die Mörderin.
    Nyroc schwang sich in die Lüfte.

„Wach auf!“ Nyroc

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