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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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herauskam?
    Auf einmal hatte Nyroc alles satt. Er hatte es satt, verfolgt zu werden, aber er hatte auch seine Mutter satt, die sich so seltsam benahm und ihm Angst machte. Wäre es nicht besser, zu Tode geschreddert zu werden, als sein Leben lang ein Reiner sein zu müssen? Das war sein letzter halbwegs klarer Gedanke. Undeutlich spürte er, dass seine Flügel erlahmt waren und er nicht mehr gegen das Hägsmir aus Windböen ankämpfte. Dann wurde das Tosen und Heulen der Schredder leiser und leiser …

Als die Schredderwinde Philipp ausspuckten und er gefangen genommen wurde, begriff er, dass er nicht länger nach der Wahrheit zu suchen brauchte. Ihm wurde endlich klar, was die Vorzugsbehandlung, die er seit Nyrocs Schlüpfen erfuhr, zu bedeuten hatte. Er war unter den Ersten gewesen, denen Nyra ihr frisch geschlüpftes Küken präsentiert hatte. Er war zum Obersten Gefiederpfleger des Kleinen ernannt worden. Nyra hatte ihn auserwählt, der engste Freund ihres Sprösslings zu sein. Philipp musste der Wahrheit ins Auge sehen. Das alles war nur geschehen, damit Nyroc seine Große Feier bestehen und in den Offiziersrang aufsteigen konnte.
    Was ist mit mir passiert? Nyroc rappelte sich mühsam hoch. Alle Knochen taten ihm weh. Er machte ein paar taumelnde Schritte und versuchte, die Flügel auszubreiten, die sich ganz steif anfühlten. „Wo bin ich?“, fragte er.
    „Bei deiner Mutter.“
    Nyroc fuhr erschrocken herum. Wo kam Nyra denn auf einmal her? Sie musterte ihn mit kaltem Blick. „Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr raus. Aber abgesehen von den fehlenden Federn bist du ja noch erstaunlich gut in Form.“ Sie machte eine Pause. „In Form fürs Töten.“
    „Wie bitte?“
    „Du weißt genau, wovon ich rede. Deine Große Feier steht bevor, mein kleiner Schatz. Sei froh, dass ich dich nicht für deine Ungezogenheit bestrafe.“ Nyroc war sprachlos vor Verblüffung.
    „Wie wär’s mit: ,Danke, dass du so nachsichtig mit mir bist‘?“, fuhr Nyra ihn an.
    Vor Nyrocs innerem Auge tauchten Flammen auf. Grausige Bilder zogen an ihm vorbei. Er hielt es nicht länger aus.
    „Na?“, machte Nyra ungeduldig.
    „Kann ich vorher kurz mal allein mit dir sprechen, Mama? Ich will dich noch etwas fragen.“
    Nyra antwortete nicht sofort. Sie betrachtete ihn lange, dann erwiderte sie: „Aber natürlich, mein Schatz.“
    Sie flog ein Stück von ihren Begleitern weg. Nyrocs Flügel schmerzten bei jeder Bewegung, weil ihm der Wind so viele Federn abgebrochen hatten. Darum tappte er unbeholfen hinter seiner Mutter her.
    Als er Nyra eingeholt hatte, fuhr sie sich mit dem Schnabel durch das schüttere Brustgefieder. Bei diesem Anblick plagte Nyroc jedes Mal das schlechte Gewissen. „Sehe ich nicht furchtbar aus?“, fragte Nyra und lachte leise. Die Spannung zwischen Mutter und Sohn ließ ein wenig nach.
    „Du hast mir gefehlt, Nyroc. Du bist doch alles, was ich habe.“
    „Mama …“
    „Du bist meine ganze Welt.“
    Was meint sie damit? Heißt das, sie liebt mich?
    „Du bist der Tytonenbund, das Weltreich“, setzte Nyra hinzu.
    „Aber hast du mich denn lieb? “, fragte Nyroc.
    Nyra legte das Gefieder an. Furcht und Wut malten sich auf ihrem Gesicht. Ihre Narbe zuckte, als sie versuchte, das Wort „lieb“ auszusprechen. Doch aus ihrem aufgerissenen Schnabel drang nur ein unverständlicher, kehliger Laut. Sie senkte den Kopf und zupfte wieder an ihrem Brustgefieder herum, und Nyroc bekam abermals Gewissensbisse.
    „Doch, du hast mich lieb, Mama!“, sagte er.
    „Du bist zu Großem bestimmt, Nyroc. Aus dir wird nicht nur ein bedeutender Heerführer, sondern ein König, ja, ein Kaiser! Du bist bei einer Mondfinsternis geschlüpft. Seit König Hoole gab es keine Eule wie dich. Das sagt mir mein Magen.“
    „Seit König Hoole …“, wiederholte Nyroc.
    „Ja, seit König Hoole“, bekräftigte Nyra flüsternd. „Bist du bereit für deine Große Feier , mein … mein … mein Lieb ling?“
    Ich hatte Recht! Sie hat mich lieb! „Ja, Mama. Ich bin bereit.“ Die quälenden Bilder vor Nyrocs Augen verflüchtigten sich. Mama hat mir nur deswegen nicht die Wahrheit über Papas Tod erzählt, damit ich meinen Vater noch mehr verehre und liebe!
    Sie kehrten zu Stürmer, Uglamore und den anderen Offizieren zurück, die schon auf sie warteten. Erst jetzt fiel Nyroc auf, dass er mitten in einem Kreis aus hohen Bäumen stand. Seine Mutter hatte ihr Versprechen eingelöst. Sicherheitshalber fragte er: „Das sind

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