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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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doch lebendige Bäume, Mama, oder?“
    „Das hatte ich dir ja versprochen.“
    „Danke, Oberste Mutter.“ Nyroc reckte den Fuß zum Kludd-Gruß.
    Nyras Magen erschauerte vor Stolz. „Bringt den Gefangenen her!“, befahl sie. Schieler und ein anderer Unteroffizier führten einen gefesselten Rußeulerich herbei und banden ihn mit dicken Ranken an einen Baum.
    Nyroc blinzelte ungläubig. „Philipp?“
    „Wer beim Hägsmir ist Philipp?“, fragte Nyra ungehalten.
    „Flieg weg, Nyroc! Flieg weg!“, rief Philipp gellend.
    Nyroc blinzelte noch einmal. Auf einmal sah er alles klar und deutlich – überdeutlich!
    „Ach, du meinst Schmuddel“, sagte Nyra abfällig. „Ist ja auch unwichtig. Er lebt sowieso nicht mehr lange.“
    Nyroc drehte sich zu seiner Mutter um. „Ich dachte … ich dachte, ich soll einen Fuchs töten oder … oder …“ Nyroc überwand sich und sprach es aus: „… oder Dreckbatzen, den Gefangenen.“ Er würde sich weigern! Was Nyra von ihm verlangte, war keine Mutprobe, sondern Mord. Oder wollte sie etwa, dass er … Dieser Gedanke war so grauenvoll, dass er ihn nicht zu Ende führen konnte.
    „Dreckbatzen? Das wäre viel zu leicht. Du kennst ihn ja kaum. Hast du mir neulich nicht zugehört? Dass du den Mörder deines Vaters hassen lernst, deinen Onkel Soren, war nur der Anfang. Die nächste Übung ist schwerer.“
    Nyrocs Magen wurde auf einmal glühend heiß und es brach aus ihm heraus: „Soren ist gar nicht der Mörder meines Vaters! Ein Bartkauz hat Papa getötet. Du hast mich die ganze Zeit angelogen!“
    „Woher weiß er das? Wer von euch hat es ihm erzählt?“, keifte Nyra und stürzte sich auf ihre Offiziere.
    „Niemand hat es mir erzählt!“, rief Nyroc ihr nach. „Ich habe es im Feuer gesehen. Und ich töte weder Dreckbatzen noch Philipp!“
    „Oh doch!“, kreischte seine Mutter. „Du musst beweisen, dass du würdig bist, den Tytonenbund anzuführen. Du musst jemanden töten, der dir nahesteht!“
    Ein neues Bild erschien vor Nyrocs innerem Auge. Er sah eine Baumhöhle in einer Tanne. In der Höhle hockten zwei Eulenküken, die noch nicht flügge waren. Das größere Küken hüpfte hinter das kleinere und stieß es aus dem Nest. Das größere Küken war Nyrocs Vater Kludd. Er opferte bei seiner Großen Feier seinen eigenen Bruder. Dann flatterte etwas Weißes heran, das sogar den Mond überstrahlte. Es war Nyrocs Mutter. Bravo, Kludd, du hast es getan! So jung und schon so willensstark. Komm mit uns!
    Nyroc blickte seine Mutter fest an und sagte entschlossen: „Ich mache das nicht, Mama. Es ist mir egal, ob du mich bestrafst.“
    „Egal?“ Nyra senkte den Kopf, breitete die Flügel aus und sagte in eisig drohendem Ton: „Und wenn ich dich töte?“
    „Flieg weg!“, rief Philipp wieder. „Kümmere dich nicht um mich – ich bin nicht wichtig!“
    „Recht hat er“, sagte Nyra. „Der elende kleine Rußeulerich ist so was von unwichtig.“
    „Niemand ist unwichtig!“, widersprach Nyroc so entschieden, dass er selbst staunte. Er hörte sich richtig erwachsen an.
    Auch Nyra war überrascht. Uglamore mischte sich ein: „Verzeiht, Oberste Mutter, aber vielleicht gibt es eine andere Lösung …“
    Nyra zeterte: „Verschwinde – und ihr anderen auch! Ich muss unter vier Augen mit meinem Sohn reden.“
    Uglamore, Stürmer, Doktor Schönschnabel und die anderen Offiziere flogen gehorsam davon und ließen Mutter und Sohn allein zurück.
    Als sie in einer Nebelbank verschwunden waren, wandte sich Nyra wieder ihrem Sohn zu. „Denkst du denn überhaupt nicht an deinen Vater?“
    „Ich habe ihn ja gar nicht gekannt.“
    „Ha! Du wirst ihn noch sehr gut kennenlernen, wenn du deine Große Feier abbrichst. Dann wird sein Geisterschnabel dich nämlich bis ans Ende deines Lebens verfolgen.“
    Nyroc bekam Angst. Er blickte zwischen seiner Mutter und Philipp hin und her. „Nein“, sagte er dann.
    Das knappe Wörtchen schien Nyra mehr aus der Fassung zu bringen als alles, was Nyroc davor geäußert hatte. Sie flog mit gespreizten Fängen auf ihren Sohn los. Nyroc duckte sich, aber ihre Kralle erwischte ihn im Gesicht. Es tat scheußlich weh.
    „Flieg weg, Nyroc!“, schrie Philipp zum dritten Mal verzweifelt.
    Nyra kam zur Besinnung. Als sie Nyrocs Gesicht sah, rief sie erschrocken aus: „Was habe ich getan?“
    Nyroc schaute zu Boden. Blut tropfte auf seine Zehen. Nyras Stimme klang auf einmal verändert. Sie gurrte: „Mein armer, kleiner Schatz, es tut mir

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