Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
Vom Netzwerk:
dem man immer nur Teile löst, die aber irgendwie nicht zusammenpassen. Im Grunde sind wir doch genauso schlau wie am Anfang, stimmt’s? Im Grunde haben wir gar keine Ahnung, was hier im Sankt Äggie eigentlich vorgeht und wie man wieder von hier wegkommt, geschweige denn, ob wir jemals fliegen lernen!“ Soren redete sich richtig in Rage.
    „Nun sei doch nicht so ungeduldig, Soren! Ich habe das Gefühl, dass wir kurz vor einer entscheidenden Entdeckung stehen.“
    Soren und Gylfie warteten in einem kleinen Vorraum. Auf einem Felsen über ihnen hockte eine große Schnee-Eule.
    „Willkommen im Eiersaal“, verkündete die Schnee-Eule ausdruckslos. „Es gibt keine größere Auszeichnung, als im Eiersaal oder in der Brüterei arbeiten zu dürfen. Zwar unterliegt alles, was hier vorgeht, strengster Geheimhaltung, aber ihr werdet vorübergehend eingeweiht. Es herrscht gerade Ausnahmezustand, weil in der Brüterei eine Milbenseuche ausgebrochen ist. Darum werdet ihr nicht als SNF eingestuft, aber wenn ihr hier nicht mehr gebraucht werdet, unterziehen wir euch einer Behandlung, die zwar nicht schmerzhaft ist, euch aber vergessen lässt, was ihr hier erlebt habt.“
    „Ich sage nur: Mondstich“, raunte Gylfie Soren zu, „aber wie man den übersteht, wissen wir ja schon.“
    „Stimmt.“ Soren hatte noch ganz schlottrige Beine, so froh war er, dass er nicht zum SNF bestimmt war.
    „Dann wollen wir mal. Kommt mit.“
    Der ganzen Neulingsschar verschlug es den Atem. Sogar eine unwiderruflich mondwirre Eule konnte über den Anblick des Eiersaals nur staunen. Tausende und Abertausende von Eiern wurden hier sortiert, Eier aller Größen, und alle glänzten makellos weiß im Mondschein. Beim Sortieren sangen die Arbeiter ein Lied:
    Großes Ei, kleines Ei,
Wir legen sie in eine Reih’.
Elfenkauz und Schleiereule,
Waldkauz, Uhu, Zwergohreul e –
Eier sortieren ist unser Leben!
Kann es etwas Schöneres geben?

Doch muss stets ein Geheimnis bleiben,
Was im Eiersaal wir treiben.
Und fliegen wir auch nie im Win d –
Die Eier unsre Zukunft sind!
    Die Arbeitsanweisung war leicht zu verstehen. Am Anfang sollten sie beide nach Eiern ihrer eigenen Gattung Ausschau halten, weil die für sie am leichtesten zu erkennen waren. Soren sollte also Schleiereulen-Eier aussortieren, Gylfie Elfenkauz-Eier. Die Eier mussten zu bestimmten Sammelplätzen gerollt werden, wo sie von älteren, erfahreneren Eulen abgeholt und in die Brüterei gebracht wurden.
    Soren war zutiefst bestürzt. Genau darüber, über Nestraub, hatte er seine Eltern sprechen hören! „Nicht auszudenken, so etwas!“, hatte seine Mutter ausgerufen. Nicht auszudenke n … Doch hier sah Soren es mit eigenen Augen. Ein Zittern überlief ihn und ihm wurde ganz flau im Magen.
    „Krieg jetzt bloß keine Flügelstarre!“, zischelte Gylfie ihm zu.
    „Wie denn? Ich kann doch noch gar nicht fliegen!“
    Der Ausdruck „Flügelstarre“, das wusste jeder Vogel, bezeichnete einen Zustand, in dem einem die Flügel den Dienst verweigerten. In dieser Verfassung versagten alle Instinkte, man konnte auf einmal nicht mehr fliegen und stürzte in den Tod.
    Die Arbeit war zwar nicht schwer, aber bedrückend. Soren überlegte bei jedem Schleiereulen-Ei, das er entdeckte, unwillkürlich, ob das Ei wohl aus Tyto stammte. Ob seine Eltern das beraubte Elternpaar womöglich kannten? Zum Glück war der Sammelplatz für Schleiereulen-Eier ganz nah beim Sammelplatz für Elfenkauz-Eier. Wenn Soren und Gylfie wieder einmal ein Ei zu ihrem jeweiligen Sammelplatz rollten, hatten sie Gelegenheit, ein paar Worte zu wechseln.
    „Ich habe Hortens e … äh, 12-8 noch gar nicht gesehen“, sagte Soren.
    „Die ist nicht hier. Sie arbeitet in der Brüterei. Das ist nämlich die Aufgabe der Glucken, die Eier auszubrüten. In die Brüterei müssen wir uns auch noch einschleichen.“
    „Wie denn?“
    „Ich lass mir was einfallen“, versprach Gylfie.
    Kurz vor Schichtende hatte Gylfie tatsächlich eine Idee. „Du!“
    „Was ist mit mir?“, fragte Soren.
    „Du bist die ideale Glucke.“
    „Hä? Ich bin doch keine Glucke! Du bist wohl gag a – ich bin ein Männchen. Männchen brüten keine Eier aus.“
    „Manche schon. In besonders kalten Gegenden zum Beispiel.“
    „Wir sind hier aber nicht in einer besonders kalten Gegend. Warum stellst du dich nicht selber als Glucke zur Verfügung?“
    „Weil gerade keine Elfenkäuzin gebraucht wird, sondern eine Schleiereule. Ich habe vorhin ein Gespräch

Weitere Kostenlose Bücher