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Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Titel: Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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gähnte und eine getrocknete Raupe aufpickte. „Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren Erfahrungen und Fähigkeiten dafür besonders geeignet sind“, setzte Soren hinzu.
    „Gewiss, gewiss“, entgegnete Boron nun. „Alle Eulen hier haben besondere Fähigkeiten. Während eurer Ausbildung werdet auch ihr feststellen, wo eure größten Begabungen liegen. Nach gründlicher Unterweisung werdet ihr in eine unserer Brigaden aufgenommen und könnt dort eure Kenntnisse vertiefen.“ Er erläuterte den Neulingen, weshalb man sie vermutlich nicht für dieselbe Brigade einteilen würde, obwohl sie Freunde waren. „Es ist nicht sinnvoll, wenn alle dasselbe lernen. Als Gruppe seid ihr stärker, wenn ihr unterschiedliche Dinge könnt. Doch das alles braucht seine Zeit.“
    Hinter sich hörte Soren raschelndes Gefieder. Er brauchte sich nicht umzudrehen, er wusste auch so, welcher von seinen Freunden sich da tatendurstig aufplusterte. Gleichzeitig spürte er, dass ihn der alte Ezylryb, der so gleichgültig wirkte, in Wahrheit streng musterte. Im Angesicht des Alten kam Soren sich vor wie eine Maus, die über den Waldboden huscht, während ein Raubvogel über ihr schwebt. Das bräunliche Auge des Alten hinter dem halb geschlossenen Lid schlug ihn in seinen Bann. Noch nie war er einem derart durchdringenden Blick ausgesetzt gewesen. Dabei schienen die anderen Mitglieder des Parlaments gar nicht mitzubekommen, dass Ezylryb ihn einer ausführlichen Prüfung unterzog, denn nach außen hin behielt der alte Eulerich seine gelangweilte Haltung bei.
    Boron fuhr fort: „Ja, das braucht alles seine Zeit, und Zeit habt ihr in Hülle und Fülle. Zweitens erfordert es Geduld. Und ob ihr die aufbringt, wird sich zeigen. Drittens verlangt es Entschlossenheit, und zwar im Herzen und im Magen, liebe Kinder. Den Mitgliedern dieses Parlaments wurden Würde und edle Gesinnung nicht ins Nest gelegt, und wir haben diese Eigenschaften ebenso wenig durch unsere tapferen Taten erworben. Wahre Seelengröße erwirbt man nicht unbedingt im Schlachtgetümmel oder in der sengenden Glut eines Feuersturms und auch nicht nur dadurch, dass man die Schwachen stärkt, die Verzweifelten wieder aufrichtet und jene entmachtet, die Unterlegene ausnutzen.“
    Sorens Magen wurde warm, als Boron weitersprach. „Es bedarf vor allem eines entschlossenen Herzens, eines Magens, der den Verlockungen falscher Träume widersteht. Und es bedarf echten Mitgefühls, wie es ein gewisser junger Eulerich heute bewiesen hat, als er sich um eine kleine Sperlingskäuzin kümmerte und Verständnis für ihren Kummer aufbracht e – den Kummer über den Verlust ihres Baumes, ihres Nestes, ihrer Eltern und ihrer ungeschlüpften Geschwister. Aus all diesen Eigenschaften erwächst echte Charakterstärke, und in diesem Geiste fliegen wir Wächter von Ga’Hoole Nacht für Nacht aus und tun Gutes.“ Boron wandte sich Sorens drei Gefährten zu. „Wisst ihr noch, was ich bei eurer Ankunft gesagt habe? Dass eure erste Reise zu Ende ist und eine neue beginnt? Morgen fangen wir mit eurer Ausbildung an.“

Morgengrau zweifelt

    Still und leise wie ein Dieb bricht die Morgendämmerung herein. Sie bereitet der Nacht ein Ende, in der die Eulen ihre Schwingen ausbreiten und sich in die Lüfte erheben. Der Tag, der auf die Morgendämmerung folgt, dient der Erholung im Schlaf, dem Kräfteschöpfen für die nächste Nacht. Manchmal kommt einem ein solcher Tag wie eine Ewigkeit vor. Was die vier Freunde betraf, mussten sie bis zur nächsten Nacht, in der ihre Ausbildung beginnen sollte, noch etliche Stunden überbrücken.
    Vielleicht war es nur ein Zwicken im Magen oder ein leiser Stich in der Brust, doch Soren hatte am helllichten Tag, als alles in der Höhle tief und fest schlief, mit einem Mal den Eindruck, dass etwas nicht stimmte. Das Gefühl, das ihn überkam, war nicht die eisige Furcht, die sich manchmal im Magen breitmacht und zu Flügelstarre führt. Und doch spürte Soren, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Er öffnete blinzelnd die Augen und erblickte im milchigen Tageslicht, das in die Schlafhöhle drang, nur zwei seiner Gefährten neben sich. Morgengrau, der Bartkauz, war fort!
    Soren blinzelte noch einmal, doch Morgengrau war und blieb verschwunden. Schon saß Soren am Rand der Einflugöffnung und hielt nach dem Freund Ausschau. Das Geäst des Ga’Hoole-Baums zeichnete sich schwarz und knorrig vor dem grauen Winterhimmel ab, die Schatten waren scharf umrissen. Doch was war das für ein

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