Die Legende der Wächter 3: Die Rettung
dann ein.
„Das macht gar nichts“, sagte Morgengrau. „Sehen wir vier etwa schnuckelig aus?“ Der stattliche Bartkauz sträubte das Gefieder. Die weißen Federhalbkreise um Augen und Schnabel ließen ihn noch grimmiger wirken.
Die Schmiedin wandte sich wieder an Gylfie. „Du bist doch viel zu klein, um dich mit solchen Rüpeln rumzutreiben.“
„Meine Freunde sind keine Rüpel, gnädige Frau.“
„Warum nennst du mich so?“ Die Schmiedin funkelte die Elfenkäuzin drohend an, aber Gylfie wich keinen Fußbreit zurück.
Auweia, dachte Soren, die Anrede „Gnädige Frau“ kann sie anscheinend gar nicht leiden. Was hatte Bubo erzählt? Freie Schmiede bevorzugten ein raues Leben in der Wildnis.
„Nein, wir sind keine Rüpel. Wir sind Freunde und fliegen zusammen durch dick und dünn. Soren hier ist wie ein Bruder für mich. Wir sind gemeinsam aus dem Sankt Äggie geflohen. Danach haben wir Morgengrau und Digger kennengelernt. Bald werden wir alle vier in die Gemeinschaft der Wächter von Ga’Hoole aufgenommen.“ Gylfie machte eine ausholende Flügelgeste in Richtung der drei anderen Jungeulen. „Die Anrede ,Gnädige Frau‘ habe ich deshalb benutzt, weil ich sehe, dass sich unter all dem Ruß eine wunderschöne Schnee-Eule verbirgt. So wunderschön wie die allerschönste Eule im Großen Ga’Hoole-Baum, Madame Plonk.“
Die Schmiedin gab einen erstickten Laut von sich. In ihren Augen glänzten Tränen. Ach so, dachte Soren, das war’s, was mir bekannt vorkam! Die Schmiedin sprach im selben melodischen Tonfall wie Madame Plonk, in ihrer Stimme schwang das gleiche Pling mit wie bei der Sängerin, wenn sie das Lied „Die Nacht ist um“ anstimmte.
„Woher hast du gewusst, dass ich Brunwellas Schwester bin?“
„Heißt Madame Plonk so mit Vornamen?“, fragte Soren.
„Ja. Kommt mit in meine Schmiede, Kinder, dann erzähle ich euch mehr. Ich habe auch ein paar frische Maulwürfe da. Allerdings brate ich mein Fleisch nicht, wie es bei euch im Baum üblich ist.“
„Das stört uns nicht“, sagte Soren. „Ich gehöre zu Ezylrybs Brigade der Wetterflieger und Glutsammler. Bei ihm dürfe n … durfte n … wir nie gebratenes Fleisch fressen.“
„Ich habe schon erfahren, dass er verschwunden ist. Hat man inzwischen etwas von ihm gehört?“
„Leider nicht“, erwiderte Soren traurig. Auf der kurzen Strecke bis zur Werkstatt flog er neben der Schmiedin her.
„Armer alter Bursche. Ach ja, lang ist’s he r …“
Was sollte das nun wieder bedeuten? Nun, vielleicht würden sie es bald herausfinden.
„Wo sind wir hier?“, fragte Digger, als die fünf Eulen in der alten Ruine gelandet waren. Zwei Mauern waren ganz und eine dritte zur Hälfte erhalten. Die Steine waren säuberlich aufeinandergeschichtet, knorrige Ranken kletterten daran empor. In der Mitte befand sich die Feuerstelle und an einer Mauer hingen ein nagelneues Paar Kampfkrallen und ein Helm. Soren sah, dass die Schmiedin in ihrem Beruf genauso gut war wie Bubo.
„Hier war früher einmal ein ummauerter Garten, glaube ich“, erklärte die Schnee-Eule. „Vielleicht hat er zu einer Burg gehört.“
„Zu einer Burg der Anderen?“
„Weißt du etwas über die Anderen?“
„Ein bisschen. In der Bibliothek von Ga’Hoole gibt es Bücher über die Burgen und Schlösser der Anderen, die schaue ich mir gern an. An solchen Orten haben wir Schleiereulen früher oft genistet. Ich weiß aber nur, dass die Anderen vor langer, langer Zeit gelebt haben und dass sie weder Vögel noch Eulen waren, ja, dass sie keinem Tier ähnelten, das unsereiner kennt.“
„Richtig. Wusstest du schon, dass sie keine Flügel und Federn hatten, aber statt der Beine zwei lange Äste, auf denen sie laufen konnten?“
Digger horchte auf. „Wie, sie konnten nur laufen und nicht fliegen?“ Als Höhlenkauz bewegte er sich zwar lieber am Boden als in der Luft fort, trotzdem legte er Wert darauf, auch das Fliegen zu beherrschen. „Wie sind sie zurechtgekommen?“
„Offenbar nicht besonders gut, denn es gibt sie ja nicht mehr. Sie hatten übrigens nicht nur keine Federn, sondern auch kein Fell.“
„Kein Wunder, dass sie ausgestorben sind“, sagte Morgengrau verächtlich.
„Dafür kannten sie sich mit Steinen aus“, fuhr die Schmiedin fort.
„Mit Steinen?“, fragte Morgengrau verständnislos. „Was kann man mit Steinen schon anfangen?“
„Eine ganze Menge. Man kann zum Beispiel Burgen und Gartenmauern daraus bauen.“
„Wozu braucht ein Garten
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