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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Orgaß
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verlieh beiden Würde: dem Jäger und dem Opfer.
    Von einem Felsvorsprung aus verfolgte Coryn, wie nun die anderen Flussläufer herankamen und sich den Bauch vollschlugen. Dabei hielten sie sich offenbar an eine gewisse Rangordnung. Der Flussläufer, der den Baumkopf durch einen letzten Biss getötet hatte, warf den Kopf zurück, schloss die Augen und heulte. Daraufhin kam ein graues Weibchen angetrabt, vermutlich seine Gefährtin. Die beiden fraßen als Erste. Als Nächstes waren die vier Flussläufer an der Reihe, die das Opfer müde gehetzt und zu Boden geworfen hatten. Zum Schluss drängten sich die übrigen Flussläufer um den Kadaver, die Jährlinge und die Welpen kamen zuletzt dran.
    Einer der Jährlinge fiel Coryn auf, weil er sich etwas abseits von seinen Altersgenossen herumdrückte und um Futter zu betteln schien. Aber niemand ließ ihn an die Beute heran, auch nicht die Jüngeren. Sein Fell glänzte nicht wie das der anderen. Es war stumpf und struppig und hatte kahle Stellen. Einer seiner Hinterläufe war verkrümmt und kürzer als der andere. Erst als alle anderen Flussläufer satt waren und sich verzogen, humpelte der Ausgeschlossene heran und labte sich an den Resten.
    Ob er Coryn etwas übrig lassen würde? Ob Baumköpfe überhaupt gut schmeckten? Egal – Coryn hatte Hunger. Er wollte eben die Flügel ausbreiten, als ihn jemand von oben ansprach.
    „Nicht so eilig, Kleiner. Erst sind wir dran.“
    Als Coryn aufblickte, sah er über sich den Raben von vorhin, begleitet von vier Artgenossen. Der Rabe landete neben dem jungen Schleiereulerich auf dem Felsvorsprung.
    „Denn man nennt uns schließlich nicht umsonst Wolfsvögel.“
    „Wolfsvögel? Seid ihr denn keine Raben?“
    „Doch, aber wir folgen den Wölfen.“
    „Wölfen?“
    „Was hast du denn gedacht, wer das Rentier erlegt hat? Die Elfen vielleicht?“
    „Elfen?“
    Der Rabe lachte krächzend. „In diesem Land regiert der Aberglaube. Vor unserer Zeit glaubten die Anderen und solche wie du, dass es kleine geflügelte Geister gebe, die ‚Elfen‘.“
    „Ach so“, sagte Coryn verlegen. Er kam sich ziemlich dumm vor. „Ich wusste nicht, was das für Tiere sind. Ich habe sie ‚Flussläufer‘ genannt.“
    „Flussläufer?“ Der Rabe lachte schallend. „Und wie nennst du das Rentier?“
    Coryn wand sich vor Verlegenheit. „Baumkopf“, sagte er leise.
    Der Rabe bekam einen krächzenden Lachanfall. „He, Kumpels!“, rief er zu seinen Freunden hoch. „Wisst ihr, wie der Kleine hier die Wölfe nennt? Flussläufer!“
    „Du willst uns wohl veralbern!“, tönte es zurück.
    „Und Rentiere nennt er Baumköpfe.“
    Der Himmel selbst schien Coryn auszulachen. Sogar der humpelnde junge Wolf drehte sich nach ihm um.
    Als der Rabe sich wieder beruhigt hatte, erklärte er dem jungen Schleiereulerich: „Rentiere haben keine Bäume auf den Köpfen, sondern Geweihe, capito?“
    Capito? Die reden hier aber komisch. Der Rabe sprach Hoolisch, aber er benutzte seltsame Ausdrücke und dehnte die einzelnen Wörter, ähnlich wie der Schmied Gwyndor.
    „Ich würde mich gern vorstellen und auch deinen Namen erfahren“, sagte Coryn.
    Der Rabe sah ihn mit seinen schwarzen Augen durchbohrend an. „Hierzulande spielen Namen keine Rolle, jedenfalls nicht bei uns Vögeln. Wir bleiben lieber namenlos. Was die Wölfe betrifft – das ist was anderes. Sie haben Namen und die sollte man auch kennen. Auch die Clans haben jeder einen eigenen Namen. Der Clan, der gerade das Rentier erbeutet hat, heißt MacDuncan, weil Duncan der Anführer ist.“
    „Was ist ein Clan?“
    „Ein Clan ist sozusagen eine Familie.“ Offenbar in Plauderlaune, fuhr der Rabe fort: „Andere Wölfe schließen sich zu Rudeln zusammen, aber die Urzeitwölfe nennen ihre Rudel ‚Clans‘. Wenn ein Clan zu groß wird, teilt er sich. Darum gibt es fünf, sechs verschiedene MacDuncan-Clans. Aber dieser Clan hier ist der wichtigste, weil Anführer Duncan das Oberhaupt aller MacDuncans ist.
    Die Urzeitwölfe sind die größten Wölfe der Welt. Sie sind was ganz Besonderes. Darum geben sie sich auch besondere Namen: MacDuncan, MacDuff, MacFang und wie sie alle heißen.“
    „Was ist mit dem jungen Wolf los, den die anderen immer wegschubsen?“
    „Das ist Hamisch. Wir Raben fressen, wenn er fertig ist, manchmal auch schon vorher. Ihm ist es egal. Er ist ein netter Bursche und hat’s nicht leicht.“
    „Den Eindruck hatte ich auch. Er ist wohl ein Außenseiter. Die anderen haben ihm nur

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