Die Legende der Wächter 8: Die Flucht
Anweisungen.
Als der junge Eulerich eben in den Glutanflug gehen wollte, rumpelte es laut und der Vulkan spie eine Lavafontäne aus. Alle Eulen gingen unverzüglich in den Sinkflug, um die frische heiße Glut zu ergattern. Alle Eulen – bis auf eine.
„Was zum Hägsmir macht der Kleine da?“, rief Gwyndor erschrocken.
„Coryn!“, rief Otulissa gellend. Ihr Schüler schraubte sich blitzschnell wieder aufwärts.
Coryn schoss mitten durch den Glutregen, balancierte sich mit den Flügeln aus … und hatte plötzlich einen Glutbrocken im Schnabel und einen in jedem Fuß.
„Gütiger Glaux!“, entfuhr es Otulissa. „Das gibt’s doch nicht. Drei Stück auf einmal!“
Coryn ließ seine Ausbeute in Gwyndors Behälter fallen. Gwyndor und Otulissa beugten sich darüber.
Die drei Brocken glühten bläulich und waren in der Mitte gelb. „Eins-a-Qualität“, urteilte Otulissa mit Kennerblick.
„Wenn die nicht rumsen, dann weiß ich auch nicht“, bestätigte der Schmied. „Was willst du dafür haben, Kleiner?“
„Unsinn“, sagte Otulissa. „Coryn übt ja nur. Außerdem handelt man nicht mit Glut, die von einem geheiligten Ort stammt. Das ist ordinär.“
„So wird’s wohl sein. Danke für die Auskunft, Gnädigste.“
„Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken“, gab Otulissa zurück. Sie hatte Tränen in den Augen. „So einen begabten Schüler zu haben, ist mein größter Lohn.“ Und was nun? Du hast mich hergeschickt, Strix Struma. Bitte sag mir, was ich jetzt tun soll! Der Kleine weiß nicht, wer er ist. Er kennt seine Bestimmung noch nicht.
Auch Coryn betrachtete die Glut in dem eisernen Behälter und hing dabei seinen eigenen, beunruhigenden Gedanken nach.
Sieht der Kleine etwas? Es sind doch gar keine Flammen, dachte Gwyndor.
Doch Coryns Sehergabe war so überragend, dass ihm die Glut genauso lebendige Bilder zeigte wie ein Feuer. Als Erstes erblickte er das Gesicht seiner Mutter Nyra. Wie schon in der Feuerstelle der Streunerburg war es rußverschmiert. Neben ihr erschien ein Wolf mit einem Kopfputz aus Knochen. Entweder war Nyra vor uns bei den MacHeath oder sie ist jetzt gerade dort , dachte Coryn.
Er spürte das vertraute Angstzwicken von damals, als er noch mit seiner Mutter zusammengelebt hatte. Doch dann beruhigte sich sein Magen plötzlich wieder und ein neues Bild erschien in der Glut. Was war das? Leuchtete zwischen den drei Glutstücken ein viertes? Coryn blinzelte und schaute noch einmal hin. In dem Behälter lagen immer noch drei Glutstücke, aber auf jedem malte sich flackernd das gleiche Bild. Das Bild eines rötlichen Glutbrockens, der in der Mitte nicht gelb, sondern blau leuchtete. Und das Blau war von einem Grün gesäumt, das Coryn an Wolfsaugen erinnerte. Das war keine gewöhnliche Glut. Das war die Glut von Hoole!
Aber wo ist sie? Was soll ich damit tun?
Keine Sorge, Coryn. Das wirst du schon noch herausfinden , hörte er es raunen.
Sprach ein Geisterschnabel zu ihm? Oder war das Nebels Stimme?
Als er aufblickte, merkte er, dass Gwyndor und Otulissa ihn beobachteten. Otulissa schüttelte sich leicht. „Nanu!“, sagte sie. „Mir war, als hätte mich ein Geisterschnabel gestreift.“ Sie tschurrte belustigt, als wollte sie hinzusetzen: Selbstverständlich glaube ich nicht an solchen Hokuspokus.
„Heißt das, ich darf so lange bei euch bleiben, wie ich möchte, edler MacHeath?“ Nyra hatte den Wölfen soeben gestanden, dass sie gar keine Freie Schmiedin war, sondern die Anführerin der Reinen.
„Du hast uns Augen geschenkt, die so grün sind wie unsere eigenen. Du teilst deine Jagdbeute mit uns. Und nun willst du uns sogar noch verraten, wie unser Clan zum mächtigsten aller Wolfsclans aufsteigen kann.“
„Richtig. Im Gegenzug brauche ich ein paar Auskünfte von euch.“
„Edler Ross, reiche unserem Gast Nyra, der Oberbefehlshaberin der Reinen, doch bitte den Redestab.“ Das hieß, dass Nyra zuerst sprechen sollte. Ein schwarzer Wolf legte den Redestab, ein kunstvoll benagter Knochen, vor sie hin. Nyra stellte den Fuß darauf.
„Als Oberbefehlshaberin möchte ich den Wölfen des MacHeath-Clans vorschlagen, sich mit uns Reinen zu verbünden.“
„Was soll der Zweck dieses Bündnisses sein?“, fragte der Clanführer.
„Die Wächter von Ga’Hoole auszurotten und die Herrschaft über die gesamte Eulenwelt zu erlangen.“
„Was geht uns die Eulenwelt an?“, knurrte der Anführer skeptisch.
„Oh, sehr viel!“
„Wieso?“
Für den zweiten
Weitere Kostenlose Bücher