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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Orgaß
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zurück, der hinter dem Vulkankreis verlief. Er wollte allein sein. Otulissa war nett, aber sie redete die ganze Zeit. Gwyndor dagegen musste man jedes Wort aus dem Schnabel ziehen. Das war schon so gewesen, als sie einander kennengelernt hatten, damals, als Coryn noch bei seiner Mutter gelebt hatte. Jedes Mal, wenn Coryn den Schmied etwas gefragt hatte, hatte Gwyndor ausweichend geantwortet: „Das musst du selber wissen, Kleiner.“ Oder: „Frag deinen eigenen Magen, was du tun sollst.“
    Coryn hatte seinen Magen befragt, aber auch der hatte ihm nichts raten können. Er wollte noch einmal in Ruhe über die Bilder nachdenken, die ihm sein erster Glutsammlerfang gezeigt hatte. Er hatte das Gesicht seiner Mutter gesehen, aber auch noch etwas anderes – die Glut von Hoole. War etwa er derjenige, der die Glut aus dem Vulkan bergen sollte? Aber was war dann mit dem kleinen Coryn? Hatte er, der große Coryn, den kleinen Höhlenkauz nicht im Ei gerettet wie damals der Glutsammler Gränk den künftigen König Hoole? War das bloßer Zufall gewesen? Das war die Frage, die es zu klären galt.
    Stimmt , hörte er jemanden sagen.
    Coryn erkannte die Stimme. Die Geisterkäuzin! Er schaute zum Fluss hinüber. Nebelschwaden trieben über dem Wasser. Jetzt verdichtete sich der Nebel zu einer Gestalt, zu einer Fleckenkäuzin mit hellen Tupfen im Gefieder. Die Käuzin war halb durchsichtig, sodass Coryn durch sie hindurch die Schneeflocken fallen sah. Es war ein wunderschönes Bild.
    Bei meinem Glutsammlerflug hatte ich das Gefühl, dass du ganz in der Nähe bist. Otulissa ging es genauso.
    Schon, aber sie hätte mich gern verleugnet. Es ist ihr immer noch peinlich zuzugeben, dass sie inzwischen an Geisterschnäbel glaubt. Darum habe ich gewartet, bis ich dich allein antreffe. Es macht mich unruhig, wenn ich Unglauben spüre.
    Ich habe meine Mutter in der Glut gesehen. Sie ist hier. Ich habe Angst.
    Ich weiß, mein Lieber. Aber du hast noch etwas anderes gesehen, nicht wahr?
    Coryn brachte kein Wort heraus.
    Was hast du noch gesehen, Coryn?
    Ich habe die Glut von Hoole gesehen. Aber ich kann nicht glauben, dass ich derjenige bin, der sie bergen soll.
    Wer denn sonst? Deine Mutter vielleicht?
    Niemals!
    Dann sorge dafür, dass das niemals geschehen kann.
    Was sollte das nun wieder heißen? Warum sprachen immer alle in Rätseln? Warum bekam er nie eine eindeutige Antwort?
    Weil es keine eindeutigen Antworten gibt, Coryn.
    Aber es gibt doch die Wahrheit!
    Die Wahrheit des einen ist die Lüge des anderen.
    Gibt es denn gar nichts, worauf ich mich verlassen kann?
    Auf dich selbst, Coryn.
    Was?
    Auf dich selbst. Da hast du deine eindeutige Antwort.
    Aber …
    Die Geisterkäuzin verblasste. In welchem Vulkan liegt die Glut? Im Dunmore?
    Plötzlich hörte Coryn es unter sich knacken und rascheln. War das seine Mutter? Hatte Nyra ihn bis in diesen entlegenen Winkel der Hinterlande verfolgt?

Zwei Tage lang war Gyllban nun schon unterwegs. Sie hatte die Streunerburg kurz nach Nyra verlassen. Nyra zu folgen war nicht schwer. Gyllban hatte noch nie eine Eule erlebt, die beim Fliegen solchen Krach machte. Nyras klatschende Flügelschläge waren unüberhörbar. Sie hielt Kurs auf den Vulkankreis. Es war am Abend des zweiten Tages, als Gyllban etwas Verdächtiges witterte. Kurz darauf entdeckte sie einen Pfotenabdruck mit weit auseinandergespreizten Zehenballen. Sie blieb wie angewurzelt stehen. „Brachnokken.“ Mit diesem uralten Zauberwort und einer Pfotengebärde wehrten die Wölfe Unheil ab.
    Gyllban witterte noch einmal und diesmal war sie ganz sicher. Der verdächtige Geruch stammte von einem Wolf, der an der Geiferseuche litt. Der kranke Wolf lief ebenfalls in Richtung der Vulkane. Gyllban musste abbiegen. Der ungefährlichste Weg zu den Vulkanen, aber leider auch der weiteste, führte am Flussufer entlang. Würde sie trotzdem vor Nyra am Ziel sein?
    Gyllban war die schnellste Läuferin des ganzen Clans und eine der besten Jägerinnen. Nur deshalb hatte der Clanführer ihr erlaubt zu bleiben. Wenn der Schnee nicht allzu hoch wurde, konnte sie Nyra überholen. Gyllban beschleunigte ihr Tempo und machte weit ausgreifende, geschmeidige Sätze. Ihr Herz klopfte. Sie würde nicht zulassen, dass diese „Oberste Mutter“ ihren eigenen Sohn umbrachte. Und sie würde mit allen Mitteln das verhängnisvolle Bündnis zwischen den MacHeath und Nyras Truppen verhindern, und wenn es ihren Tod bedeutete. Nein, das darf nicht sein. Nein, das darf

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