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Die Legende unserer Väter - Roman

Titel: Die Legende unserer Väter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kleine Geschichtchen aufschreibt.«
    »Und Sie sind trotzdem das Risiko eingegangen.«
    »Das Risiko, jemandem in die Augen zu schauen?«
    »Sie wussten, dass ich es herausfinden würde.«
    »Ich wusste es.«
    »Aber warum haben Sie diesen Moment hinausgezögert?«
    »Ich habe darauf gewartet, dass Sie mir von Ihrem Vater erzählen.«
    »Warum?«
    »Um eine endgültige Entscheidung zu treffen.«
    »Warum?«
    »Weil ich wusste, dass die Lüge danach keinen Platz mehr hat.«
    Der alte Mann hatte den Blick gesenkt. Er klopfte mit seinem Stock auf den Boden. Erwartete irgendetwas. So konnten wir uns nicht trennen. Ich traute mich nicht mehr zu sprechen oder mich zu bewegen. Wir hätten einander die ganze Nacht so gegenübersitzen können. Ich, sein Biograph, und er, meine Illusion. Wir hätten uns entspannen können. Zu sprechen aufhören. Die Morgendämmerung erwarten wie Wimpy. Doch Beuzaboc stützte sich mit beiden Händen auf seinen Stock und bat mich, meine Arbeit abzuschließen. Ich schüttelte den Kopf. Beuzaboc machte eine beschwichtigende Geste. Nein, ich dürfe ihn nicht falsch verstehen. Keine Lügen mehr. Kein Zurück. Er vertraue mir, dass ich eine andere Biographie schreiben würde, die Geschichte eines altenFälschers, der bereit war, sich einem Unbekannten anzuvertrauen. Weil er wusste, dass es Zeit war zu reden.
    ***
    Er habe gewusst, dass ich mich nicht mit der Stellung des Schreibers zufriedengeben würde. Er habe gewusst, dass ich herumwühlen und jedes Wort nachprüfen würde. Dass ich, besessen von der Ehre meines Vaters, ihm auf die Schliche kommen würde. Dass ich die Wahrheit aufdecken würde, ohne Spott und Gemeinheit. Dass ich nicht urteilen würde, sondern versuchen würde zu verstehen. Dass ich so traurig sein würde, wie er es immer gewesen sei. Und wie seine Tochter, seine Verwandten, seine Freunde es auch bald sein würden. Er habe vom ersten Tag an gewusst, dass ich eines Abends so dasitzen würde, staunend über die Bruchstücke seines großen Betrugs. Dass ich ihm von meinen Nachforschungen und Zweifeln berichten würde. Dass ich geduldig am Faden ziehen und mich erneut in die Arbeit stürzen würde. Dass ich die Wahrheit über den deutschen Soldaten, über Wimpy und Ascq schreiben würde. Auch deshalb habe er mich in das ehemalige Kinderzimmer geführt und den Globus wieder eingeschaltet. Damit diese packende Szene im Zentrum unserer Biographie stünde, damit Lupuline sie lesen und den Weg mit ihm gemeinsam bis zum Ende gehen könne. Um ehrlich zu sein, hatte der alte Mann mich benutzt.

    Er beobachtete mich immer noch. Lauerte darauf, dass ich etwas sagte. Ich schwieg. Schwieg mit herunterhängendenArmen. Ich war unglücklich, erleichtert, voller Scham und so allein, dass ich gar nichts mehr wusste. Beuzaboc war aufgestanden, um sich von mir zu verabschieden. Er gab mir die Hand. Er wolle mich nächste Woche wiedersehen. Aber nichts mehr korrigieren. Nichts mehr hören. Nichts mehr lesen. Er wolle seine endgültige Biographie, gedruckt und gebunden, gleichzeitig mit den anderen entdecken. Und wenn alles gesagt sei, würde der alte Fälscher wieder zu Ghesquière.

    Wir standen auf der Schwelle. Die Hitze war extrem, aber die Luft hatte sich verändert, sie war aufgequollen vom Gewitter. Nachts würde sich allmählich alles beruhigen. Ich wusste, dass Beuzaboc mir noch etwas zu sagen hatte. Und merkte, dass er sich nicht traute. Er zog mich sanft zurück in die Wohnung, während er die Tür halb aufstieß. Meine Hand lag in seiner. Ich müsse ihm helfen. Mein Buch biete ihm die Möglichkeit, der Falle zu entkommen. Ich fragte, wie Lupuline reagieren würde und wie er es anstellen wolle, der Welt wieder erhobenen Hauptes gegenüberzutreten. Da lächelte er. Sein stilles Lächeln, sein Blick wie vor dem Geständnis. Er würde seine Verwandtschaft und seine paar Freunde versammeln. Jedem ein Buch schenken. Und mit ihnen reden.
    ***
    »Ich vertraue Ihnen.«
    Die letzten Worte des alten Mannes nahm ich mit nach Hause.
    Mein Fenster stand offen. Die Straßenlärm hatte nachgelassen.
    »Trompette klingelte wie wild, als ob Fives ihm den Weg abgeschnitten hätte. Deshalb hatte niemand den Schuss gehört.« Ich hatte mein Hemd ausgezogen und saß mit nacktem Oberkörper vor meinem Computer, den Kopf in die Hände gestützt. Las alles, was ich geschrieben hatte, noch einmal. Jedes Wort trug die Fratze der Lüge. Ich hatte ein paar Gefühle hinzugefügt, das Brausen der Stadt, die Januarkälte,

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