Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Schüler taugte nicht. Ich habe mich bemüht, ich habe mich wirklich bemüht, aber wie Galen glaube ich, daß es einen Grund gibt, weshalb man Bastarde von der Gabe ausschließt. Wir haben einen Makel, eine verhängnisvolle Schwäche.«
»Dummes Zeug.«
»Nein. Denk darüber nach, Burrich. Wenn du eine gewöhnliche Mähre mit einem Vollbluthengst paarst, erbt das Fohlen in den allermeisten Fällen die Fehler der Mutter und nicht die Rasse des Vaters.«
Burrich ließ sich lange Zeit mit der Antwort. Dann: »Dein Vater war kein Mann, der sich zu der erstbesten Dirne legt. Ohne einen Funken Geist oder Charakter. Er hätte es nicht gekonnt.«
»Es heißt, er wurde von einer Zauberin der Berge verhext.« Zum ersten Mal plapperte ich eins von den Gerüchten nach, die ich vom Gesinde und in den Tavernen gehört hatte.
»Chivalric war für dergleichen nicht empfänglich. Und sein Sohn ist kein wehleidiger Jammerlappen, der daliegt und winselt, er hätte eine Tracht Prügel verdient.« Er beugte sich vor und tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle dicht unterhalb meiner Schläfe. Ein furchtbarer Schmerz durchzuckte meinen Schädel, und einen Moment lang glaubte ich die Besinnung zu verlieren. »Es fehlte nicht viel, und diese Art von ›Unterweisung‹ hätte dich ein Auge gekostet.« Man merkte ihm an, daß er sich nur noch mühsam beherrschte, und ich verzichtete darauf, etwas zu sagen. Er wanderte durchs Zimmer und fuhr dann auf dem Absatz zu mir herum.
»Dieser Welpe. Philias Hündin ist seine Mutter, nicht wahr?«
»Ja.«
»Du hast doch nicht ... Fitz, bitte sag mir, du hast dich nicht der alten Macht bedient! Wenn es deine eigene Schuld war, was er dir angetan hat, dann bin ich gezwungen zu schweigen und kann niemandem in der Burg oder im ganzen Königreich mehr in die Augen sehen.«
»Nein, Burrich, ich verspreche dir, was geschehen ist, hatte nichts mit dem Hund zu tun. Es war meine Unfähigkeit zu lernen. Meine Schwäche.«
»Still«, befahl er ungeduldig. »Dein Wort genügt mir. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, daß dein Versprechen gilt. Sonst redest du allerdings viel ungereimtes Zeug. Schlaf jetzt wieder. Ich gehe weg, aber ich komme beizeiten wieder. Ruh dich aus. Schlaf ist die beste Medizin.«
Meine Worte schienen Burrich überzeugt und zu einem Entschluß gebracht zu haben. Er zog Stiefel an, ein weites Hemd und darüber ein ledernes Wams. Fäustel folgte ihm zur Tür und winselte ängstlich, als er hinausging, doch es gelang ihm nicht, mir den Grund für seine Unruhe mitzuteilen. Er sprang zu mir aufs Bett, kroch unter die Decke und tröstete mich mit seinem grenzenlosen Vertrauen. In der Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit war er das einzige Licht. Ich schloß die Augen, und Burrichs Kräuter versetzten mich in einen traumlosen Schlaf.
Spät am Nachmittag erwachte ich wieder. Ein Schwall kalter Luft, der ins Zimmer wehte, als die Tür sich öffnete, kündigte Burrichs Rückkehr an. Er trat ans Bett, um mich zu untersuchen, schob beiläufig meine Lider hoch, um mir in die Augen zu sehen, und tastete dann mit kundigen Händen über meine Rippen und sonstigen Blessuren.
Schließlich knurrte er zufrieden, wandte sich ab und tauschte sein zerrissenes, schmutziges Hemd gegen ein frisches. Dabei summte er vor sich hin, offenbar bester Laune – befremdlich, in Anbetracht meiner Verletzungen und meines Seelenzustands. Ich empfand es beinahe als Erleichterung, als er wieder ging. Unten hörte ich ihn pfeifen und den Stallburschen Befehle zurufen. Alles klang so normal und alltäglich, und ich hätte wer weiß was gegeben, wieder Teil davon sein zu dürfen. Ich sehnte mich nach dem warmen Geruch von Pferden, Hunden und Stroh, der Befriedigung gut getaner Arbeit und dem gerechten Schlaf der Erschöpfung am Ende eines Tages. Ich sehnte mich danach, aber das Gefühl der Wertlosigkeit, das von mir Besitz ergriffen hatte, prophezeite, daß ich selbst darin versagen würde. Galen pflegte über die Leute zu spotten, die die einfachen Arbeiten in der Burg verrichteten. Er hatte nur Geringschätzung für die Küchenmägde und Köche, Verachtung für die Stallburschen, und die Soldaten, die uns mit Schwert und Bogen vor Gefahren schützten, waren nach seinen Worten ›Raufbolde und Dummköpfe, deren Schwerter schärfer sind als ihr Verstand‹. Deshalb fühlte ich mich schmerzlich hin- und hergerissen. Ich sehnte mich danach, in ein Dasein zurückzukehren, von dem Galen mich überzeugt hatte, es wäre
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