Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
verachtenswürdig, andererseits zweifelte ich an meiner Fähigkeit, auch nur diesen geringen Anforderungen gerecht werden zu können.
    Zwei Tage war ich ans Bett gefesselt. Ein wohlwollender Burrich verarztete mich mit einer ungezwungenen Munterkeit, die mich vor ein Rätsel stellte. Mit seinem federnden Schritt und der Selbstsicherheit, die er ausstrahlte, wirkte er zehn Jahre jünger, doch ich fand es nicht sehr tröstlich, daß mein Unglück ihn in derartige Hochstimmung versetzte. Nach zwei Tagen Krankenlager teilte er mir mit, allzuviel Ruhe sei ungesund, und es wäre an der Zeit, daß ich mir Bewegung verschaffte, um wieder zu Kräften zu kommen. Gleich hatte er tausend kleine Arbeiten für mich, nicht zu schwer, aber ausreichend, um mich zu beschäftigen, weil ich mich oft ausruhen mußte. Ich glaube, darauf kam es ihm hauptsächlich an, mich zu beschäftigen, denn so lange ich im Bett lag, hatte ich nur die Decke oder die Wände angestarrt und mich mit Selbstvorwürfen überhäuft. Unter dem Schatten meiner fortdauernden Niedergeschlagenheit verlor selbst Fäustel seinen Appetit. Trotzdem blieb er mein einziger wirklicher Trost. Mir durch die Stallungen zu folgen war für ihn das größte Glück. Jeden Geruch, jedes Bild übermittelte er mir mit einer Intensität, daß ich trotz meiner trüben Stimmung etwas von dem Staunen wiederentdeckte, das ich bei meinem ersten Eintritt in Burrichs Welt empfunden hatte. Davon abgesehen schien er mich als seinen Alleinbesitz zu betrachten und wollte sogar Rußflocke das Recht verwehren, mich zu beschnuppern. Bei Hexe geriet er an die Falsche. Sie schnappte nach ihm, und er flüchtete aufjaulend in meinen Schutz.
    Den nächsten Tag gab Burrich mir frei, als ich ihn darum bat, und ich machte mich auf den Weg nach Burgstadt. Das Gehen fiel mir schwer, aber Fäustel war glücklich, denn so hatte er Muße, jedes Grasbüschel und jeden Baum zu inspizieren. Ich hatte gehofft, ein Besuch bei Molly würde mich aufmuntern und mir etwas Lebensfreude wiedergeben, doch als ich in den Laden trat, war sie damit beschäftigt, drei Bestellungen für auslaufende Schiffe fertigzumachen. Ich setzte mich neben den Ofen im Verkaufsraum. Ihr Vater hockte mir gegenüber, trank und starrte mich finster an. Obwohl von der Krankheit geschwächt, war er ansonsten noch der alte, und an Tagen, an denen er sich wohl genug fühlte, aufzustehen, fühlte er sich auch wohl genug, zu trinken. Nach einer Weile gab ich jeden Versuch auf, ein Gespräch mit ihm in Gang zu bringen, und sah schweigend zu, wie er ein Glas nach dem anderen leerte und seine Tochter schlechtmachte, während Molly geschäftig die Ware zusammenpackte und sich bemühte, gleichzeitig freundlich zu ihren Kunden zu sein. Die triste Schäbigkeit des Ganzen bedrückte mich.
    Gegen Mittag sagte sie zu ihrem Vater, sie hätte eine Bestellung abzuliefern und würde so lange das Geschäft schließen. Sie gab mir ein Paket Kerzen zu tragen, lud sich selbst die Arme voll, und wir gingen hinaus. Die Schimpftiraden ihres Vaters schallten hinter uns her, aber Molly achtete nicht darauf. Draußen fröstelten wir im kalten Wind. Ich folgte Molly zur rückwärtigen Seite des Hauses, wo sie bedeutsam einen Finger an die Lippen legte, dann öffnete sie die Hintertür und legte ihre Kerzenbündel in den kleinen Windfang. Mein Paket wurde an der gleichen Stelle deponiert. Wir waren frei für einen Spaziergang durch den Ort.
    Erst schlenderten wir ziellos umher und redeten wenig. Sie wunderte sich über die Blutergüsse in meinem Gesicht; ich erklärte ihr, ich wäre hingefallen. Der scheußliche, böige Wind hatte sowohl Käufer als auch Händler vom Marktplatz vertrieben, und er lag verlassen da. Sie machte viel Aufhebens um Fäustel, und er genoß es. Auf dem Rückweg kehrten wir zu einem warmen Trank in eine Teestube ein, wo sie Fäustel kraulte und lobte, bis er sich in ekstatischer Wonne auf den Rücken wälzte. Mir fiel auf, wie deutlich Fäustel sich ihrer Empfindungen bewußt war, ihre Wahrnehmung hingegen beschränkte sich auf die Oberfläche. Ich spürte nach ihr, aber sie war heute flatterhaft und unbeständig wie ein Duft, der einmal stark, einmal schwach vom Wind herangetragen wird. Ich hätte beharrlicher in sie dringen können, aber es kam mir sinnlos vor. Ein Gefühl der Einsamkeit senkte sich auf mich herab, die resignierte Gewißheit, daß sie für mich innerlich immer so blind gewesen war wie jetzt für Fäustel und es immer sein würde.

Weitere Kostenlose Bücher